Hotel Mama vorübergehend geschlossen
keinen gibt. Beziehungsweise nicht mehr. Also lebt Frau Mitcherlich vermutlich allein, was den Aktionsradius automatisch einschränkt. jetzt brauche ich bloß noch ein Telefonbuch von Köln.«
Das hatte er natürlich nicht. Er glaubte jedoch zu wissen, daß es in der Redaktion eins gab. Es meldete sich Michelle, die eigentlich Michaela hieß, die französische Variante ihres Namens jedoch vorzog, weil sie nur zwei Silben hatte.
»Guten Morgen, Michi«, begann Florian, wurde aber sofort unterbrochen. »Ich heiße Michelle!«
Normalerweise hätte er jetzt mit einer dummen Bemerkung geantwortet, aber die verkniff er sich lieber. Das Fräulein Klotz schien in etwas reizbarer Stimmung zu sein. »Entschuldige, Michelle, das ist mir so rausgerutscht. Eine alte Gewohnheit. Hier ist übrigens Florian …«
»Wer sonst?« kam es zurück. »Außer dir kommt doch niemand mehr auf die Idee, meinen Namen auf Kindergartenniveau zu schrumpfen.«
Nach Florians Ansicht bewegte sich das ganze Fräulein Klotz – natürlich nur rein intellektuell gesehen! – auf diesem Niveau, doch das behielt er für sich. Vielmehr äußerte er sehr höflich sein Anliegen und versäumte auch nicht den Hinweis auf eine kostenlose Kinokarte.
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann kennst du weder den Vornamen noch die Anschrift dieser Dame Mitcherlich und weißt lediglich, daß sie ein Single ist und in Köln wohnt. Hat sie deine Brieftasche geklaut? Wenn ja, dann hoffe ich, daß du wenigstens vorher auf deine Kosten gekommen bist!«
Einen Augenblick lang stutzte er, dann lachte er laut los. »Ich muß dich enttäuschen, aber die Dame dürfte so um die Achtzig herum sein.«
»Warum suchst du sie dann?«
»Das frage ich mich allmählich auch«, seufzte Florian, »aber könntest du trotzdem mal nachsehen?«
»In meinem Computer habe ich sie nicht drin, da muß ich in die Lokalredaktion rüber. Am besten rufe ich zurück.« Es klickte, und dann legte auch Florian den Hörer auf. Verwundert schüttelte er den Kopf. »Sie muß sie im Computer suchen, dann ruft sie zurück. Verstehst du das, Tine?«
»Ihr werdet in eurer Datenbank natürlich auch das nationale Adressenverzeichnis haben, was ist daran so erstaunlich?«
»Daß du sowas weißt!«
Es dauerte keine fünf Minuten, dann klingelte das Telefon. »Es gibt nur zwei weibliche Mitcherlichs im Telefonbuch, eine Wally und eine Carola«, teilte Michelle mit. »Letztere wohnt allerdings in einem absoluten Neubaugebiet, wo man fast nur junge Paare und wenig ältere Leute findet. Außerdem schreibt sie sich mit c, die früheren Carolas haben meistens mit einem K angefangen. An deiner Stelle würde ich es also mit der Wally versuchen. Soll ich dir die Adresse geben?«
»Mir genügt die Telefonnummer.« Einen Stift hatte er in der Tasche, demonstrierte jedoch mimisch den fehlenden Notizzettel. Tinchen schob ihm die bewährte Kaffeefiltertüte hin, und Florian notierte eine zwölfstellige Zahl. »Das kostet dich aber zwei Kinokarten«, sagte Michelle noch, bevor sie lachend den Hörer auflegte.
»Kann man jetzt noch anrufen, oder pflegen spätmittelalterliche Damen um diese Zeit bereits ihr Verdauungsnickerchen zu halten?«
Tinchen sah auf die Uhr.« Zehn vor eins. Soweit ich mich erinnere, steht in Tonis Benimmbuch, daß man offizielle Besuche und Telefonate zwischen elf und dreizehn Uhr absolviert. – Lach nicht, da steht wirklich ›absolviert‹.«
»Quatsch! Als der olle Knigge das geschrieben hat, gab's ja noch gar kein Telefon!«
»Dafür gibt's inzwischen Dutzende von Benimmbüchern. Tonis stammt von einer Baronin und ist noch ziemlich neu. Und wenn du dich nicht sofort an die Strippe hängst, ist es ein Uhr vorbei, und dann darfste sowieso nicht mehr!«
Florian griff zum Hörer, zupfte sein Halstuch zurecht, eine unfreiwillige Leihgabe von Tinchen, lehnte sich gegen den Kühlschrank und steckte die linke Hand in die Hosentasche. Diese Haltung verlieh ihm zwar ein lässiges Aussehen, nur stellte sich ihm gleich darauf die Frage, wie er denn jetzt wählen sollte. Möglichst unauffällig zog er die Hand wieder heraus.
»Soll ich dir die Nummer diktieren?« fragte Tinchen. »Du kannst sie ja doch wieder nicht lesen.«
Erst nach dem fünften Läuten meldete sich eine leise Frauenstimme, die keinerlei Ähnlichkeit mit Hermines sonorem Organ hatte. »Ja, bitte?«
»Guten Tag, gnädige Frau, hier ist Florian Bender«, sagte Florian, »könnte ich wohl bitte Frau Henslow
Weitere Kostenlose Bücher