Hotel Mama vorübergehend geschlossen
du durch den Rhein geschwommen?« wollte Florian wissen, bevor er aus der Küche ein Handtuch holte.
»Nicht direkt, aber das Wasser in der Regentonne war genauso naß!«
»Du Ärmster«, bedauerte ihn Tinchen, während sie einen großzügig bemessenen Whisky eingoß, »ist deine Dusche kaputt? Und weshalb ziehst du dich nicht aus, bevor du badest?«
Dankbar nahm er das Glas entgegen. »Ich bin durch's Fenster abgehauen und hab nicht mehr daran gedacht, daß die olle Meisenreiter das Wasser aus der Regenrinne neuerdings sammelt. Im Winter! Frag mich nicht, warum, ich weiß es nicht. Jedenfalls bin ich bei meiner überstürzten Flucht mit einem Bein dringehangen, und bei dem Befreiungsversuch ist das ganze Faß umgekippt. Das meiste vom Inhalt habe ich natürlich abgekriegt. Zum Umziehen war keine Zeit mehr, er stand ja schon vor der Tür. Ich hab's gerade noch bis ins Auto geschafft.« Entsetzt blickte er auf den immer größer werdenden See zu seinen Füßen. »Flori, hast du was Trockenes zum Anziehen?«
»Na klar, komm mit ins Bad, damit du erst mal 'ne heiße Dusche kriegst. Den Whisky darfst du mitnehmen!«
»Etwas will ich vorher aber noch wissen«, sagte Tinchen, die Champagnerflasche begutachtend. »Andere Leute greifen bei einer plötzlichen Flucht zum Familienschmuck oder wenigstens zur Police von der Lebensversicherung, du zum Schampus. Möchtest du, daß ich ihn ein bißchen warmstelle. Oder glaubst du, daß du heute noch mal auftaust?«
»Vor wem bist du eigentlich getürmt? Vor dem Gerichtsvollzieher oder vor einem deiner Mafiafreunde?«
»Schlimmer«, bekannte Gerlach grinsend, »vor meinem Onkel Albert. Der ist zwar senil, aber noch nicht so sehr, daß er sich nicht immer wieder mal an ›de läve Jong‹ erinnert und sich bei mir einquartiert. Das letztemal ist er meiner Putzfrau an die Wäsche gegangen, doch die hat sich mit dem Schrubber verteidigt und ihm zu einer geschwollenen Nase verholfen. Die ist ja inzwischen verheilt, aber Nofretetes Ableben habe ich bis heute nicht verwunden. Der Kaktus ersetzt sie eben nicht. – Ist das Bad immer noch an derselben Stelle?«
Er steuerte auf die Treppe zu, und bevor Florian ihm folgte, erklärte er dem verdutzten Tinchen noch schnell, daß Nofretete ein Goldfisch war, der Onkel Alberts letzten Besuch nicht überlebt hatte, worauf Gerlach ihn in der Toilette entsorgt und wenig später das verwaiste Aquarium mit einem Kaktus der Gattung Schwiegermutterstuhl bepflanzt hatte.
»Was hat der Onkel denn mit dem armen Fisch angestellt? Etwa gebraten?«
»Ganz im Gegenteil«, erklärte Florian lachend, »er hat ihn mit Brokkolisuppe gefüttert. Aus der Tüte.«
Eine halbe Stunde später hockte Gerlach, geduscht, geföhnt, mit Florians Jogginganzug bekleidet und mit hinreichend Whisky pur abgefüllt, auf dem Sofa und klapperte nur noch gelegentlich mit den Zähnen. »Ihr habt mir das Leben gerettet«, behauptete er immer wieder, »aber ihr wißt doch hoffentlich auch, daß der Lebensretter von da an für das Leben des Geretteten verantwortlich ist, nicht wahr? Jedenfalls ist das bei den Chinesen so, und von denen haben wir ja eine ganze Menge Kultur übernommen.«
»Wir leben aber in Europa, und soviel ich weiß, sind die Chinesen gerade dabei, eine Menge sogenannter Kultur von uns Europäern zu übernehmen. Ich denke dabei an Currywurst, Bikinis, Kuckucksuhren, Inspektor Derrick …«
»Weiß ich alles, Tinchen«, gab Gerlach bereitwillig zu, »ich will mich euch ja auch nicht für den Rest meines Lebens aufdrängen, sondern nur für die nächsten drei Tage. Bis dahin haben die vom Altersheim Onkel Albert wieder eingesammelt, länger brauchen sie nie.«
8.
Tinchen packte Koffer, das heißt, sie packte um. Zum drittenmal. Dabei hatte sie schon den ganz großen genommen, doch unbegreiflicherweise war er immer noch zu klein. Die Flossen nahmen einfach zu viel Platz weg, aber mit mußten sie! Man könne die Dinger an Ort und Stelle auch leihen, hatte Florian gesagt, doch erstens koste sowas Geld, das man bestimmt viel besser anlegen könne, zum Beispiel für einen hübschen Sonnenhut, der alleine schon wegen des Ozonlochs ratsam sei, und zweitens wären fremde Flossen nie so gut wie die eigenen. Sie wären entweder zu eng oder – schlimmer noch! – rutschten vom Fuß, und dann könne man sehen, wie man mit nur einer oder ganz ohne Flossen wieder an Land käme. So ganz ungefährlich sei Schnorcheln eben auch nicht – es sei denn, man wäre
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