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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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nicht mehr nur
Heim!«
hatte Tinchen gesagt –, und da die Seniorin trotz ihrer mehr als achtzig Jahre (eine genaue Zahl ließ sie sich nie entlocken) noch erstaunlich rüstig war, verreiste sie recht gern. Bevorzugtes Ziel waren die Thermen von Abano und die gesunde Winterluft auf Norderney. Und eben die hatte sie wohl jetzt eine Zeitlang eingeatmet.
    »Sie schreibt, daß sie auf dem Rückweg bei einer lieben alten Freundin in Köln … na, die wird wohl auch begeistert gewesen sein – also da hat sie Station gemacht, und nun will sie … ach, lies doch selber!« Tinchen schob den Brief über den Tisch. »Ich habe sowieso immer Schwierigkeiten mit dieser ulkigen Schrift.«
    Florian las sich durch die Beschreibung der Sturmflut vor vierzehn Tagen nebst angeschwemmtem Robbenbaby und der wundersamen Heilung ihrer Pensionswirtin von einer hartnäckigen Schuppenflechte, nur durch Handauflegen, man stelle sich das einmal vor, dann endlich kam Hermine zur Sache. Sie würde ungern die Gastfreundschaft ihrer lieben alten Freundin in Köln noch länger in Anspruch nehmen, habe sie doch bereits den vierten Advent sowie das Weihnachtsfest bei ihr verlebt, nur sei es ihr, Hermine, leider noch nicht möglich, schon jetzt in ihre Wohnung zurückzukehren. »Sie wird renoviert und sollte längst fertig sein, doch scheint sich der Einzugstermin zu verzögern, so daß ich gezwungen bin, meine Rückkehr um eine Woche zu verschieben. Deshalb meine bescheidene Anfrage, ob ich nicht bei euch … und so weiter und so weiter.« Er faltete den Brief zusammen und warf ihn in den Mülleimer. »Den haben wir gar nicht bekommen, weil wir nämlich nicht da sind.«
    Tinchen lebte sichtbar auf. »Natürlich haben wir ihn bekommen, nur viel zu spät. Wir sind eben schon weggewesen.« Sie holte die jetzt leicht angefettete Heftseite wieder heraus. »Nächste Woche kannst du ihr ja einen Tut-mir-leid-aber-wir-waren-verreist-Brief schicken. Sie darf bloß nicht anrufen.«
    »Wir gehen einfach nicht ans Telefon.«
    »Vier Tage lang?«
    Florian sah ein, daß seine Idee wieder mal in die Kategorie
Theoretisch hervorragend, praktisch jedoch
undurchführbar
gehörte. Für die Redaktion mußte er erreichbar sein, und wenn seine Schwiegermutter dreimal vergeblich … Ach was, die würde schon nach dem zweiten erfolglosen Versuch auf der Matte stehen. Plötzlich schlug er sich mit der Hand an die Stirn. »Toni! Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Was meinst du, können wir Tante Mine nicht deiner Mutter aufladen? Sie könnte endlich mal wieder ihre gesammelten Rezepte herunterkochen und Loblieder einheimsen, Frau Ka-Ka hätte jemanden, der ihre Memoiren ganz bestimmt noch nicht kennt, und zum Romméspielen wäre dann auch einer mehr. Was hältst du davon?«
    »Viel! Die Sache hat bloß einen Haken. Hast du denn vergessen, daß die beiden schon im Autobus Richtung Allgäu sitzen?
Jahreswechsel im Winterwald
oder so ähnlich. Vier-Sterne-Hotel, Silvestermenü mit sechs Gängen, nächtliche Schlittenfahrt, Glühwein am Kamin und Prosit Neujahr mit Feuerwerk und Champagner. Nicht schlecht, oder was meinst du?«
    »Chacun à son goût. Ich feiere lieber mit dir allein.«
    »Und mit Tante Mine!«
    »Kommt nicht in Frage! Hast du noch das Kuvert von dem Brief? Da muß doch ein Absender draufstehen.«
    Mit viel Geklapper räumte Tinchen das Geschirr in die Spülmaschine. »Kann sein, ich hab' nicht drauf geachtet, jetzt sind jedenfalls Zwiebelschalen drin.«
    »Pfui Deibel!« Trotzdem inspizierte Florian den Mülleimer und fischte nach längerem vorsichtigem Suchen den durchfeuchteten Umschlag heraus. »Der stinkt! Dabei benutzt Tante Mine normalerweise Chanel Nr. 5.« Mit dem Kuvert in der Hand schritt er zum Fenster und hielt ihn gegen das Licht. »Hermine Viktoria Henslow«, las er vor, »ich wußte gar nicht, daß sie auch noch Viktoria heißt, bei – wie heißt das? Mitterling? Komischer Name, habe ich noch nie gehört. Kannst du nicht mal herkommen, Tine? Vielleicht heißt es ja auch anders, du hast bessere Augen als ich!«
    Die nützten jedoch auch nichts. Tinchen behauptete, der Name sei nicht Mitterling, sondern Mitcherlich, aber das sei egal, weil ja keine Straße angegeben wäre, und Köln habe bestimmt mehr als einen Mitcherlich. »Vorausgesetzt, wir haben den Namen überhaupt richtig entziffert.«
    »Da Tante Mine etwas von einer guten alten Freundin, Betonung auf
alt,
und nichts von deren Ehemann geschrieben hat, setze ich mal voraus, daß es

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