Hotel Nirgendwo - Roman
kämpfen müssen. All das hätte ich machen können, aber ich habe es nicht getan, und zwar wegen euch. Deshalb wirst du die Schule beenden und nicht aufgeben!« Sie schwieg jetzt, aber ihre Augen sprachen weiter. Sie strahlten und blitzten, sagten: Ich hätte es machen können. Wir sehen uns an und rauchen. »Ich würde am liebsten mit dir nach Hause gehen«, sage ich plötzlich mit weinerlicher Stimme und denke daran, wie Alice den vergifteten Pilz isst, ich wünschte, ich könnte mich auch so klein machen. Mamas Blick ist voller Mitgefühl. »Jetzt kannst du nicht mitkommen, morgen und übermorgen musst du noch zur Schule, dann ist Wochenende. Wenn du willst, hole ich dich am Freitag vom Wohnheim ab, und wir fahren zusammen nach Hause.« Mama spricht zärtlich, Tränen fließen mir aus den Augen, dicke, runde Tränen, sie fallen auf die Karos der Tischdecke. »Weine nicht, mein liebes Kind«, sagt Mama und hält meine Hand unter dem Tisch, und das macht mich noch trauriger, diese Hand, von der ich so gerne in den Schlaf gestreichelt werden möchte. Wenn ich nur nicht zurückmüsste, in dieses Zimmer, wo ich allein ins Bett gehe und die Augen zumache, als würde auf der ganzen Welt niemand sonst existieren. In der Dunkelheit höre ich nur mein Herz klopfen, es klopft wie das eines Hasen, und manchmal habe ich Angst, dass es eines Tages durchbrennen oder einfach aufhören wird zu klopfen. Manchmal habe ich Angst, nicht mehr normal zu sein, und alle anderen können es sehen. Ich habe Angst, verrückt zu werden, auszuticken, nicht mehr zu wissen, was ich mache und wo ich mich gerade befinde, denn wohin ich auch schaue, ich sehe nur unbekannte Gesichter. Wie soll ich wissen, wer auf meiner Seite steht, wie soll ich das irgendjemanden fragen. »Hör zu«, sagt Mama kämpferisch, »heute Vormittag war ich bei General L., ich war dort zusammen mit mehreren anderen aus dem Zentrum Apel, wir sind wegen einigen rechtlichen Dingen hingegangen, aber ich habe wieder nachgefragt, wie es um unsere Wohnung steht. Dann ist plötzlich etwas passiert, etwas in mir ist explodiert, und ich konnte nicht mehr schweigen. Ich fing an zu erzählen, wie wir leben, dass wir diesen Zustand nicht mehr ertragen können. Ich habe zu ihm gesagt: »Stellen Sie sich mal vor, man würde Ihre Kinder auf irgendwelche Wohnheime verteilen, nach so vielen Jahren, die wir in diesem Zimmer verbracht haben, wie würde es Ihnen da gehen?« Ich sage dir, ich habe ihm alles Mögliche an den Kopf geworfen, die Frauen haben mich nur angestarrt, und als ich endlich innehielt, sagte Tante Zdenka zu mir: ›Sag mal, kannst du nicht endlich mal eine Pause machen?‹ Aber ich kann es nicht und ich will es nicht. Dann hat mir der General wieder eine Wohnung versprochen, so wie sie es einem immer versprechen, und ich habe ihn gefragt, woher ich denn wissen soll, dass er sein Versprechen dieses Mal halten würde und ob er mir das schriftlich geben kann. Dann hat er ein Fax an die Wohnungskommission geschickt und hat mir die Kopie des Schreibens in die Hand gedrückt. Ich glaube, dieses Mal wird etwas in Bewegung kommen, und dann wird alles leichter werden.« – »Was wird leichter werden?«, frage ich, weil ich will, dass sie es mir erzählt. – »Du wirst dein eigenes Zimmer haben, dann kannst du den Kassettenrecorder so laut aufdrehen, wie du willst. Wenn du aus der Schule nach Hause kommst, wird ein Mittagessen für dich bereitstehen, und jeden Sonntag werden wir Kuchen haben, du wirst sehen, bald ist es so weit.« – Ja, so wird es sein, eines Tages, denke ich, doch sicher nicht bald, denn Željka und ihre Mama haben schon vor mehreren Monaten eine Wohnung bekommen, sind aber immer noch nicht eingezogen. Ich weiß das alles und Mama weiß es auch, aber wir wollen jetzt nicht dran denken. Trotzdem, ich bin ein wenig erleichtert, auch sie ist erleichtert, wir haben alles besprochen, nun können wir sogar ein bisschen über die Klassenlehrerin lachen. Mama sagt, »Mein Gott, was für eine verrückte Frau.« Bald erheben wir uns und gehen los, Mama bringt mich zur Straßenbahn und sagt: »Halt durch!« – »Ja, das mache ich«, antworte ich ihr, »nur noch zwei Tage, wenn man den heutigen Tag nicht mitrechnet, dann ist es nur noch einer.«
*
Ich bin schon um acht Uhr wach, obwohl wir erst am Nachmittag Unterricht haben. Ich hatte mir den Wecker abends gestellt, nachdem ich einige Entscheidungen getroffen hatte. Ich befolge die neuen Regeln schon einen
Weitere Kostenlose Bücher