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Hotel Nirgendwo - Roman

Hotel Nirgendwo - Roman

Titel: Hotel Nirgendwo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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weiß, dass das Kind keinen Vater hat, aber, meine Kleine, du musst dich ein bisschen zusammenreißen. Oder du wechselst auf eine andere Schule. Nicht jede Schule ist für jeden geeignet, es gibt noch viele andere Schulen hier in der Stadt. Also hören Sie«, sagt sie zu Mama, »wir haben hier darüber gesprochen, wenn sie sich entscheiden sollte, woandershin zu gehen, wird sie keine einzige Fünf im Zeugnis haben!« Die Klassenlehrerin hat wieder ein kleines Lächeln im Gesicht, während sie ihren Vorschlag hervorbringt, sie denkt, sie würde uns ein Angebot machen, von dem wir nur träumen konnten, eines, das man nicht ablehnen kann, die Rettung in letzter Sekunde. Ich kenne meine Mutter, ich kenne sie gut. Meistens schweigt sie, aber sie hat ihre Momente. Ich könnte schwören, dass ich in ihren Augen Funken sprühen sehe, und ahne, dass ein übles Gewitter im Anmarsch ist. »Wie bitte!«, ihre Stimme überschlägt sich, »Sie wollen mein Kind auf eine andere Schule versetzen! Was denken Sie eigentlich, wer Sie sind! Nach allem, was wir durchmachen mussten, nach allem, was meine Kinder mit ansehen mussten, wollen Sie einfach so an meiner Stelle Entscheidungen treffen? Sie hat sich diese Schule ausgesucht, und sie wird sie auch abschließen! Sie hat ihre eigene Mutter, und ich verbitte mir, dass Sie irgendetwas mit irgendjemandem hinter meinem Rücken besprechen. Ich möchte auf der Stelle mit der Direktorin reden!« Ich beobachte das Ganze von der Seite, und innerlich feuere ich meine Mutter an. Am liebsten würde ich sie jetzt umarmen, aber es ist besser, wenn ich mich nicht einmische. Die Tür des Büros geht auf, ein paar Lehrerinnen huschen auf den Flur, um zu sehen, woher der Krach kommt. Die Klassenlehrerin ist zutiefst gekränkt, dass man ihr großzügiges Angebot nicht zu schätzen weiß, und sagt beleidigt: »Und wie will sie das mit den schlechten Noten machen?« – »Das soll nicht Ihre Sorge sein.« Das Direktionszimmer verlässt sie ruhig, ernst, aber ruhig. »Gehen wir«, sagt sie beim Hinausgehen.
    Ihre Schritte sind schnell, sie spricht nicht. Ich folge ihr, laufe einen Meter hinter ihr her, habe aber keine Ahnung, wohin wir gehen. Wir überqueren die Straße und betreten zu meiner Überraschung das Café gegenüber der Schule. Sie setzt sich an den ersten freien Tisch und bestellt einen Milchkaffee. »Was willst du trinken?«, fragt sie, und verwundert bestelle ich eine Cola. Sie holt aus ihrem Täschchen eine Packung Zigaretten raus und zündet sich eine an. »Rauchst du?«, fragt sie mich geradeheraus. Es ist nicht der Moment für Schwindeleien, deswegen entscheide ich mich für Ehrlichkeit. »Ach, hin und wieder mache ich mir schon mal eine an«, sage ich leise und starre den grauen Marmortisch vor mir an. »Na, dann mach dir jetzt auch mal eine an, lüg mich nicht an und halte nichts vor mir geheim. Rauch lieber eine Zigarette mit mir als eine ganze Schachtel hinter der erstbesten Ecke.« Ich zünde mir eine Zigarette an und fühle mich dabei wie ein Idiot. Im Kopf höre ich die Worte meines Bruders, du hast den Schnuller weggeworfen und dir eine Zigarette angesteckt, du siehst aus wie ein Küken mit Titten. Ich bin noch dabei, mich innerlich zu sammeln, da legt Mama schon los. »Pass auf«, sagt sie, »ich weiß, dass es schwer für dich ist, aber Lügen ertrage ich nicht. Für mich ist es auch nicht leicht. Du wirst jetzt nicht aufgeben, hörst du mich? Du musst nicht immer nur Einsen haben, aber den Abschluss kriegst du hin. Wenn du jetzt wechselst, wirst du später auch immer aufgeben. Du wirst später bei jedem noch so kleinen Problem aufgeben. Das geht so nicht. Am leichtesten ist es, einfach aufzugeben und den Kopf in den Sand zu stecken. Man muss sein Leben in die Hand nehmen und darf nicht abhauen. Du bist besser als die, hörst du mich?« Mama schreit fast, ich glaube ihr jedes Wort und sehe ihr aufmerksam in die Augen, das Café ist voller Schüler, sie könnte ruhig etwas leiser sprechen. »Auch ich hätte alles aufgeben können. Hätte mich von deinem Vater scheiden lassen können, als er mich zu deiner Oma und zu deinem Opa brachte, die mir das Leben zur Hölle gemacht haben, hätte mich ergeben und zulassen können, dass sie uns in irgendeine Kaserne werfen, auf irgendeine gottverlassene Insel abschieben, ich hätte auch die ganze Zeit über nur in unserem kleinen Zimmer hocken und weder zur Arbeit gehen noch mich um eine Wohnung kümmern können, nicht mehr für unsere Wohnung

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