Hotel Pastis
geschäftlichen Perspektiven sich mit dieser interessanten Neuigkeit boten.
Die Bank rief am späten Nachmittag an und teilte Simon mit, daß das Geld bereitläge. Er war schon auf halbem Weg zu seinem Wagen, als ihm einfiel, daß es vielleicht nicht gut war, mit zehn Millionen Francs in bar so allein in Cavaillon herumzufahren. Er ging hinunter zur Terrasse, wo die Kriminalbeamten die Sonnenbadenden nicht aus den Augen ließen.
»Das Geld ist da. Es wäre das beste, Sie kämen mit mir.«
Die Kriminalbeamten setzten ihre Sonnenbrillen mit Spiegelgläsern auf - jenes Modell, das die motorisierten Polizisten so gerne trugen, um noch bedrohlicher auszusehen — und folgten Simon zum Parkplatz. Sie stiegen in den Zivilwagen der Polizei, der vor Hitze glühte und von den gestrigen Zigaretten stank, und der jüngere der beiden Polizisten tauschte über das Autotelefon ein paar Brummlaute und einsilbige Wörter mit dem Polizeirevier aus.
Sie parkten in zweiter Reihe vor der Bank. Die Kriminalbeamten blickten die Straße auf und ab. Auf Anhieb war nichts Verdächtiges festzustellen in dem Gewirr aus bummelnden Touristen und Hausfrauen, die für das Abendessen einkauften. Sie drängten Simon zur Eile und liefen über das Trottoir. Dann drückten sie auf den Summer neben der Spiegelglastür und warteten. Ein älterer Bankangestellter kam mit schlurfenden Schritten zur Tür, schüttelte den Kopf und formte mit den Lippen das Wort fermé, wobei er auf die auf der Scheibe aufgedruckten Öffnungszeiten deutete. Der dienstältere Kriminalbeamte drückte seinen Ausweis flach gegen die Tür. Der Angestellte sah ihn sich genau an, zuckte die Achseln und ließ sie hinein.
Der Filialleiter kam ihnen schon entgegen und begrüßte sie. Dann führte er sie in sein Büro und schloß hinter ihnen die Tür. Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Der Nachmittag war ein einziger Alptraum gewesen, da das Geld von den größeren Filialen in Avignon und Marseille hatte hergebracht werden müssen. Man hatte Angst gehabt, es könne unterwegs einen Stau geben, und sich schon vorgestellt, daß plötzlich mit Pistolen bewaffnete Männer auftauchten. Aber nun sei ja Gott sei Dank alles vorbei. »Voilà, messieurs.« Er deutete auf seinen Schreibtisch. »Wenn Sie es bitte zählen wollen.«
Simon blickte auf die Stapel von Fünfhundert-Francs-Noten, die in briques zu jeweils zehntausend Francs zusammengebunden waren. Irgendwie hatte er sich vorgestellt, daß zehn Millionen Francs eindrucksvoller aussehen würden, mehr Masse hätten. Er setzte sich, und während die anderen rauchten und zusahen, legte er die briques zu Stapeln von hunderttausend Francs zusammen, zählte die Stapel, steckte sie in eine Plastiktüte und wog sie in der Hand. Sie war nicht schwerer als der mit Arbeit angefüllte Diplomatenkoffer, den er jedes Wochenende aus der Agentur mit nach Hause genommen hatte. »C’est bon?« Der Manager legte ein Formular vor Simon auf den Tisch. »Une petite signature, s’il vous plaît.« Dann beobachtete er, wie Simon die Quittung unterschrieb, und entspannte sich. Für alles, was jetzt geschah, war er nicht mehr verantwortlich.
Sie schüttelten sich zum Abschied die Hände und begaben sich zum Haupteingang. Simon wurde mit der Tüte, die gegen sein Bein stieß, zwischen den beiden Kriminalbeamten eingeklemmt.
»Merde!« Einer der Kriminalbeamten hatte gesehen, wie ein Verkehrspolizist einen Strafzettel unter den Scheibenwischer ihres Autos schob. Als sie daraufhin die Stufen hinunterrannten, sah der Polizist zu ihnen auf und tippte sich mit seinem Kugelschreiber an die Zähne. Er empfand immer eine heimliche Freude, wenn der Autobesitzer ein paar Sekunden zu spät eintraf. Eine kleine Abwechslung in seiner ansonsten eher langweiligen Beschäftigung.
Der dienstältere Kriminalbeamte deutete auf den Strafzettel. »Sie können das wieder wegnehmen.« Dann öffnete er die Wagentür. »Wir sind vom Polizeirevier in Avignon.«
Der Verkehrspolizist lächelte. »Von mir aus können Sie vom Elyséepalast kommen. Sie parken in zweiter Reihe.«
Der Kriminalbeamte ging um den Wagen herum, um sich den Polizisten näher anzusehen. Nun standen sich die beiden so dicht gegenüber, daß sich ihre Sonnenbrillen fast berührten, und blockierten die einzige noch verbleibende freie Spur. Mit einem wütenden Bremsen kam ein Lkw vor ihnen zum Stehen, der Fahrer lehnte sich aus dem Fenster und fuchtelte verärgert mit dem Arm herum. Die Leute, die vor
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