Hotel Pastis
dem Café auf der anderen Straßenseite saßen, drehten sich um, um den Disput besser verfolgen zu können, und hinter dem Lkw ertönte bereits ein ungeduldiges Hupkonzert. Der Filialleiter und sein Angestellter beobachteten das Geschehen von der Treppe aus.
Simon warf die Tüte auf den Rücksitz des Autos und stieg ein. Größtmögliche Diskretion. Mein Gott. Genausogut hätten sie es in den Sechs-Uhr-Nachrichten bringen können.
Das wechselseitige Schulterzucken und Gestikulieren endete damit, daß der Kriminalbeamte den Strafzettel von der Windschutzscheibe nahm und zerriß. Gegenüber vor dem Café klatschten zwei Männer Beifall, während der Kriminalbeamte ins Auto stieg und der Verkehrspolizist zum Abschied etwas Obszönes in das laute Gehupe hineinbrüllte.
»Und deine Mutter!« rief ihm der Kriminalbeamte aus dem offenen Fenster zu. »Und deinen Hund!« Er schnaubte zufrieden, weil er das letzte Wort gehabt hatte. »Okay, fahren wir.«
Als sie ins Hotel zurückkamen, wartete bereits eine Nachricht auf sie. Hampton Parker würde am nächsten Morgen sehr früh in Brassière eintreffen. Simon empfand, ähnlich wie der Filialleiter zuvor, Erleichterung, daß er bald das Geld und die Verantwortung in andere Hände legen konnte. Er ließ sich mit Ziegler verbinden und wartete, die Plastiktüte zwischen die Beine geklemmt.
»Irgendwelche Neuigkeiten von dem Jungen?«
»Sie rufen heute abend an. Parker kommt morgen ganz früh hierher. Ich habe das Geld, es liegt für ihn bereit.«
Ein paar Sekunden lang blieb Ziegler stumm. Als er dann zu sprechen anhob, hatte seine Stimme den gleichen knappen, entschiedenen Ton, dessen er sich immer bediente, wenn er einen Kunden von etwas überzeugen wollte. »Parker darf nicht darein verwickelt werden. Auf keinen Fall.«
»Aber er ist es bereits, verdammt noch mal. Er ist der Vater des Jungen.«
»Ich will nicht, daß er auch nur in die Nähe dieser verdammten gefährlichen Trottel kommt.«
»Und wie sollen sie das Geld bekommen? Per Express?«
»Um Himmels willen, Simon, wir dürfen Parker nicht in Gefahr bringen. Angenommen, sie beschließen, ihn ebenfalls zu entführen? Angenommen, sie machen ihn kalt, Herrgott noch mal. Nein, Stewerden das übernehmen.«
Simon spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. »Vielen Dank. Angenommen, sie machen mich kalt?«
Sofort wechselte Ziegler den Ton, und seine Stimme bekam jenen warmen, beruhigenden Klang, den er sich neuerdings für die Werbepräsentation zugelegt hatte. »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Sie sind schließlich kein Milliardär, Sie sind ja nur der Geldbote. Tragen Sie alte Klamotten, Sie müssen arm aussehen, kapiert? Das ist doch keine Angelegenheit. Sie werden sie wahrscheinlich gar nicht zu Gesicht bekommen. Und dann denken Sie daran, was Sie damit für unsere Beziehungen tun.«
»Unsere Beziehungen?«
»Wir haben Parker in der Tasche. Der verdammte Auftrag ist uns sicher. Parker steht moralisch in unserer Schuld. Er wird uns sein Leben lang erhalten bleiben.«
Simon sagte nichts, Ziegler hätte ihm sowieso nicht zugehört. Und was ihn betraf, so war die Entscheidung ja doch bereits gefallen — wahrscheinlich die richtige, wie er zugeben mußte. Wenn die Entführer glaubten, sie könnten sich einen der reichsten Männer Amerikas schnappen, wer weiß, was sie dann anstellten.
Zieglers Stimme klang jetzt beinahe ungeduldig. »Sie übernehmen die Sache also, okay? Vermasseln Sie sie nicht.«
»Sie sind ein weichherziger Bursche, nicht wahr?«
»Ja, so bin ich. Der netteste Kerl in der ganzen Branche. Ich werde Sie bald anrufen.«
Nicole fand Simon zigarrerauchend im Büro. Ohne die Kriminalbeamten zu beachten, starrte er unentwegt aus dem Fenster. Er sah abgespannt aus und hatte Ringe unter den Augen. Sie stellte sich hinter ihn und massierte ihm sanft den Nacken. »Wenn das alles vorbei ist«, tröstete sie ihn, »werde ich mit dir wegfahren.«
Simon schloß die Augen und lehnte den Kopf an ihren Körper.
»Versprochen?«
»Versprochen.«
Teilnahmslos sahen die Kriminalbeamten zu ihnen hinüber und fragten sich, was sie wohl zum Abendessen bekommen würden.
Enrico betrachtete den Stapel Pässe auf seinem Schreibtisch und lächelte. Kontakte, Gier und Angst. Das funktionierte immer, wenn man Informationen brauchte. Innerhalb weniger Stunden, nachdem er die Parole ausgegeben hatte, hatte einer seiner Leute in Avignon in Erfahrung gebracht, daß die Polizei versuchte, einer Entführung ein
Weitere Kostenlose Bücher