Hotel Pastis
hindurch ein Geräusch, halb seufzend, halb knurrend und so nahe, daß sich ihm die Haare im Nacken sträubten. Er setzte sich aufrecht, die Hände auf dem Lenkrad begannen zu schwitzen. Einer von den Kerlen, gleich würde er ihn anspringen und das Geld nehmen. Mit flackernden Augen blickte Simon in den Spiegel. Niemand. Nichts. Dennoch spürte er, daß jemand hinter ihm war, ein Atmen.
Er gab auf und sagte laut: »Wer ist da?«
Ein lautes, langes Gähnen. Ganz langsam drehte Simon den Kopf und erblickte etwas Dickes, das auf dem Rücksitz lag, alle vier Beine in die Luft gestreckt. Der Schwanz bewegte sich träge beim Klang der vertrauten Stimme. Mrs.Gibbons wachte auf.
Simon spürte, wie eine Woge der Erleichterung durch seinen Körper strömte. Diese verflixte Hundedame. Dann fiel ihm ein, daß sie oft im Fond des Wagens ein Nickerchen machte, bis es Zeit war, mit Ernest nach Hause zu gehen.
Mrs. Gibbons steckte den Kopf zwischen die beiden Vordersitze und schnüffelte an dem Geld. Als Simon die Tüte auf den Boden legte, machte sie es sich auf dem Beifahrersitz bequem und ließ den Kopf auf Simons Schenkel sinken, ein angenehmes, warmes Gewicht. Er kraulte ihr die struppigen Ohren und fuhr weiter.
Er hatte die Straße ganz für sich allein, die Fensterläden der im Dunkel liegenden Bauernhäuser an beiden Seiten waren verschlossen, die Abblendlichter des Autos formten vor ihm einen langen, leeren Tunnel. Kurz hinter der Abzweigung nach Lacoste fiel ihm im Rückspiegel ein Lichtschein auf, ein Lichtschein, der immer in gleicher Entfernung blieb, während sich die Straße zwischen den Kirschbäumen hindurchwand, deren Blätter schlaff und trocken herabhingen. Er hielt am Fuße des Hügels unterhalb von Bonnieux. Der Wagen hinter ihm blieb ebenfalls stehen. Simon sah auf Mrs.Gibbons hinab. »Der Scheißkerl folgt uns«, erklärte er ihr. Der Hund setzte sich auf und reckte den Kopf in die Höhe, während der Schwanz leise auf das Polster pochte.
Sie fuhren durch Bonnieux, an schlafenden Häusern und verschreckten Katzen vorbei, und folgten dann dem Schild zur Forêt des Cèdres. Nichts als Schwärze auf beiden Straßenseiten, Schwärze hinter ihnen. Entweder hatte er das Licht ausgeschaltet oder er war abgebogen, jetzt, da er sicher war, daß Simon allein war.
Dann tauchte vor ihm die Absperrung der Forststraße auf, eine langgestreckte, Respekt gebietende Linie zwischen den knorrigen Krüppeleichen und den Felsblöcken. Simon schaltete das Licht aus und stellte den Motor ab. Er spürte, daß sein Herz wie wild pochte. Mrs. Gibbons winselte vor Aufregung, vielleicht gab es einen kleinen Spaziergang. Er strich ihr über den Kopf. »Du bleibst hier und bewachst das Auto.« Sie winselte erneut und kratzte an der Tür. Simon seufzte. »Also gut, aber beiß um Himmels willen niemanden.« Er ließ sie hinaus, nahm die Plastiktüte und die Taschenlampe und blieb einen Moment lang neben dem Wagen stehen.
Es herrschte eine unvorstellbare Stille, die nur durch das leise Knistern des sich abkühlenden Motors und das Rauschen des kleinen Wasserfalls von Mrs. Gibbons unterbrochen wurde, die ihre Blase entleerte. Das Mondlicht verwandelte die Büsche in hockende Gestalten. Simon schaltete die Taschenlampe an, kroch unter der Absperrung hindurch, befeuchtete sich die Lippen und versuchte vergeblich, nach dem Hund zu pfeifen. Seine Mundhöhle war ausgedörrt wie ein Stück Wäsche aus dem Trockner.
Die Sohlen seiner Espadrillos verursachten weniger Geräusche als das Tapsen der lederartigen Pfoten an seiner Seite. Der Forstweg, der von Osten nach Westen verlief, lag schnurgerade vor ihm. Auf beiden Seiten schirmten die hochaufragenden kaskadenförmigen Zedern das Mondlicht ab. Simon sah, daß der Lichtkegel der Taschenlampe zitterte. Mist. Das hier war blanker Wahnsinn. Keine Menschenseele kilometerweit, außer — irgendwo vor ihm, oder hinter ihm oder gleich hier im tiefen stillen Schatten des Waldes, ihn beobachtend — die Entführer. Sie könnten ihn umbringen und ihn dann gleich hier vergraben. Vielleicht hatten sie schon das Loch ausgehoben. Trotz der warmen Nachtluft schauderte ihm, und er ging ein bißchen schneller.
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis er im Schein der Taschenlampe das Holzschild am Straßenrand sah. Die Buchstaben waren verblichen: Forêt Dominiale de Ménerbes. Mrs. Gibbons blieb plötzlich stehen und zuckte mit ihrer großen Schnauze. Ihr Schwanz war steif aufgerichtet, und aus der Tiefe
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