Hotel Pastis
Terrasse war ein separater Tisch für zehn Personen gedeckt und mit Ernests Lieblingsblumen in flachen Vasen geschmückt — weiße Rosen mit einem Stich ins Pinkfarbene. Kerzenschein spiegelte sich auf dem Tafelsilber und den Gläsern sowie auf den Champagnerflaschen wider, die in Eiskübeln zwischen den Blumen standen. Ein Chor von Fröschen, die sich um den Springbrunnen herum angesiedelt hatten, quakte von Zeit zu Zeit, und ein sternenübersäter Himmel überspannte den Lubéron.
Nicole und Simon folgten dem Gelächter, das unten von der Bar am Poolhouse herüberdrang. Als Simon eine laute vertraute Stimme vernahm, die das Stimmengewirr übertönte, ließ er seine Zigarren in der Innentasche seines Jacketts verschwinden. Onkel William hielt hof.
»Ich sehe es genau vor mir«, redete er auf den höflich lächelnden Hampton Parker ein, »die weiten Ebenen von Texas, die gewaltigen Häuserschluchten von New York, die ländliche Einfachheit unseres Eckchens hier in der Provence — ein Triptychon, etwas von genialer Größe.« Er unterbrach sich, um sein Glas zu leeren, und hielt es dem Barkeeper hin. »In dem Augenblick, da Ihr netter Sohn davon sprach, war ich begeistert, nein, hingerissen. Und nun, da ich Ihren Kopf gesehen habe...«
»Meinen Kopf?« fragte Parker.
»Hat Ihnen das nie jemand gesagt? Eine unverkennbare Ähnlichkeit mit einem römischen Kaiser. Augustus, wenn ich mich nicht irre.«
Ernest zog im Vorübergehen die Augenbrauen hoch und verdrehte die Augen. Er trug seine eigene Version der traditionellen provenzalischen Tracht: weißes Hemd, schwarze Hose und ärmellose Weste, zur geschmacklichen Vollendung ergänzt um einen rosa und grün gestreiften Kummerbund. Mit einem Glas in jeder Hand schritt Ernest zur untersten Treppenstufe und musterte Nicole anerkennend.
»Welch ein Genuß ist es doch«, sagte er, »ein richtiges Damenkleid zu sehen. Sie sind der Inbegriff der Eleganz, madame.«
Simon beugte sich vor, um den Kummerbund näher in Augenschein zu nehmen. »Ich wußte gar nicht, daß Sie im Garrick Club sind, Ern.«
»Das bin ich auch nicht, mein Guter, aber ich liebe diese Farben. Und nun kommen Sie, es sind schon alle da.«
Parkers Leibwächter, wie üblich in Anzügen und Stiefeln, hörten mit leicht irritiertem Gesichtsausdruck Onkel William zu, der seine Meinung über die Impressionisten zum besten gab. Der frisch geschrubbte und fröhliche Boone begutachtete diskret, aber sehr interessiert Françoises neues Kleid, das sie nun endlich präsentieren konnte. Ihre Wangen waren vom Champagner bereits etwas gerötet. In fließendem Französisch, wenngleich mit starkem Akzent, führte Hampton Parker ein angeregtes Gespräch mit Madame Pons. Diese hatte die letzten Feinheiten des Menüs ihrem Koch überlassen und trug ihr schickstes, wallendstes Kleid, eine wahre Flut aus dunkelblauem Seidengewebe, dazu Schuhe mit schwindelerregend hohen Absätzen. Mrs. Gibbons hielt Ausschau nach heruntergefallenen Erdnüssen und schlafenden Eidechsen. Das rot-weiß-blaue Band, das Ernest ihr umgebunden hatte, verlieh ihr das Aussehen eines anrüchigen Regimentsmaskottchens.
Nicole hakte sich bei Simon unter. »Fühlst du dich besser?«
Er nickte. Genau so hatte er es sich all die Monate ausgemalt: prächtiges Wetter, fröhliche Menschen, Abendessen unter dem Sternenhimmel. So, wie sich eben ein Träumer die Leitung eines Hotels vorstellt. Doch er hätte nie gedacht, daß wesentlich mehr als nur Geld dazu nötig war — körperliches Durchhaltevermögen, Geduld, Feingefühl, eine unendliche Liebe zum Detail, ein gastfreundliches Wesen, all die Eigenschaften, mit denen Ernest seit der Eröffnung des Hotels glänzte.
»Es ist eigenartig«, sagte er zu Nicole. »Als ich vorhin aufgewacht bin, mußte ich mir selbst etwas eingestehen. Ich bin meinem Wesen nach immer Gast gewesen. Und ich bin ein phantastischer Gast. Aber ich glaube, aus mir wird nie ein guter Gastgeber.«
Sie drückte zärtlich seinen Arm. »Ich weiß. Aber du hast es wenigstens versucht.«
Das Geräusch eines Messers, mit dem gegen ein Glas geklopft wurde, brachte die Gäste zum Verstummen. Ernest ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen, dann hob er sein Glas. »Ehe wir uns den Gaumenfreuden hingeben, die Madame Pons für uns vorbereitet hat, möchte ich gern einen Toast auf unseren Ehrengast ausbringen.«
Onkel William nahm einen Gesichtsausdruck an, den er für ein angemessen bescheidenes Lächeln hielt, und prüfte den
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