Hotel Pastis
seiner Hand. »Komm, laß uns mit Ernest sprechen.«
Eine halbe Stunde später saßen die drei in der Küche. Der Boden war frisch geschrubbt und noch glitschig, die Arbeitsflächen aus Stahl und Marmor glänzten im Licht, und Madame Pons’ Notizen für die Menüs des nächsten Tages waren an ein Brett neben der Tür geheftet.
Simon hatte Ernest über Parkers Vorschlag unterrichtet und dann seine Gedanken laut ausgesprochen — er gestand ein, daß ihm die Idee gefiel, äußerte sich jedoch besorgt wegen Ernest, wegen Nicole, wegen seiner eigenen Motive, verhedderte sich zuletzt und verstummte mit einem Seufzer.
»Ich finde, wir sollten den letzten Champagner vertilgen«, meinte Ernest und ging zum Kühlschrank. »Das ist heute so ein Abend dafür.« Er schenkte drei Gläser ein. »Es ist komisch, aber offenbar sitzen wir immer in einer Küche, wenn eine Entscheidung getroffen werden muß.« Er wandte sich an Nicole. »Wissen Sie, all das hat in einer Küche angefangen, als ich auf ihn eingeredet habe, er solle mal Urlaub machen.«
» Santé, Ern.« Simon erhob sein Glas. »Sie waren mir stets ein guter Freund.«
»Wollen wir hoffen, daß das auch noch viele Jahre so bleibt, mein Lieber. Verzeihen Sie mir, wenn ich jetzt ganz offen zu Ihnen bin — der Todesstoß für so manche Freundschaft, ich weiß, aber so ist es nun mal.« Ernest nahm einen Schluck Champagner und blickte stirnrunzelnd auf das Glas. »Die Wahrheit ist doch, daß die Leitung eines Hotels vor allem aus routinemäßiger Arbeit zur Aufrechterhaltung des Betriebs besteht, und dafür sind Sie einfach nicht geschaffen. Ich weiß ja, was für ein schrecklicher Zappelphilipp Sie sind. Wenn etwas erledigt ist, dann müssen Sie sich gleich auf etwas Neues stürzen, und wenn das nicht geht, werden Sie mürrisch.« Er sah Simon mit vorwurfsvoll hochgezogenen Augenbrauen an. »Glauben Sie bloß nicht, daß ich das nie gemerkt habe.«
»Ist es wirklich so schlimm?«
»Absolut entsetzlich. Wie es die arme Nicole mit Ihnen aushält, wenn Sie anfangen zu seufzen und Ihre Rauchkringel an die Decke zu blasen, ist mir ein Rätsel. Und weil wir gerade bei Nicole sind...«, er wandte sich an sie und lächelte, »... verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber ich habe im Lauf der Jahre viele kommen und gehen sehen, und eine wie Sie findet er nicht noch einmal.« Ernest unterbrach sich und nahm einen weiteren Schluck. »Und wenn er Sie mit seinen Flausen verjagt, ist er ein großer Schafskopf.« Er rümpfte die Nase. »Wenn Sie also mich fragen, mein Bester, dann sollten Sie Mr. Parkers Angebot annehmen.«
»Und was wird aus Ihnen?«
Ernest studierte die Bläschen, die vom Boden seines Glases aufstiegen. »Nun, ich denke, mehr als dies hier wollte ich nie erreichen. In der Tiefe meiner Seele bin ich nur ein alter Feldwebel. Ich liebe es, mit Leuten umzugehen, zu organisieren, dafür zu sorgen, daß alles ordentlich läuft. Ich bleibe hier.« Er füllte die Gläser nach und zwinkerte dabei Nicole zu. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was für eine Erleichterung es sein wird, wenn er mir nicht den lieben langen Tag im Weg umgeht.«
Simon faßte über den Tisch nach Nicoles Hand. »Ich glaube, er will mich aus dem Geschäft drängen.«
Sie zwinkerte und nickte stumm.
»Und ich hoffe sehr«, fuhr Ernest fort, »daß Sie sich ein paar Tage freinehmen. Sie sehen reichlich mitgenommen aus.« Simon rieb sich die Augen. »Wir haben bereits unseren Urlaub geplant. Keine Entführer, keine Kriminalpolizei, ein nettes, ruhiges Fleckchen wie New York. Nicole war noch nie dort.«
Ernest nickte lächelnd und erhob sein Glas. »Ich wage zu behaupten, daß Sie wieder zurückkommen werden.«
»Ja, Ern. Wir werden zurückkommen.«
Das Flugzeug drehte eine Schleife über dem Mittelmeer, ehe es auf die Route nach Paris einschwenkte. Simon hatte im L’Ami Louise einen Tisch für das Diner reservieren lassen sowie im Raphaël eines jener Zimmer, die mit einem Bad von der Größe eines kleineren Swimmingpools ausgestattet sind. Am nächsten Morgen würden sie nach New York weiterfliegen.
Er holte aus seiner Jackentasche den Umschlag hervor, den Ernest ihm beim Abschied gegeben hatte, und reichte ihn Nicole.
»Er hat gesagt, du sollst ihn aufmachen.«
Sie zog einen Schlüssel mit einem Messinganhänger heraus.
Auf der einen Seite war Hotel Pastis eingraviert, auf der anderen die Zahl 1; er war für das obere Zimmer, das mit dem besten Ausblick auf den Großen Lubéron.
Weitere Kostenlose Bücher