Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
Vom Netzwerk:
Rose zwischen den Zähnen hinter der Bar.
    »Merci, mademoiselle.« Simon füllte sein Glas mit Wasser auf und ging nach draußen. Es war merkwürdig, wie sehr er in der Hitze Südfrankreichs einen pastis genoß, während er ihn sonst nirgendwo zu trinken pflegte. Er erinnerte sich, daß er ihn einmal im Connaught bestellt hatte. Er hatte völlig anders geschmeckt. Hier dagegen schien er ihm vollkommen — süß, scharf und berauschend. Er nahm einen Schluck und dachte darüber nach, in welch ungewöhnlicher Lage er sich befand. Er hatte kein Auto, keine Hotelreservierung — und dem Dorf nach zu urteilen, auch kein Hotel — keine Liz, keinen Ernest. Er war ganz allein auf sich gestellt, abgeschnitten von dem menschlichen Hilfssystem, das normalerweise die täglichen Kleinigkeiten seines Lebens regelte. Doch zu seiner eigenen Überraschung mußte er feststellen, daß er das Neue, das mit alledem verbunden war, genoß. Allein in einer fremden Wildnis, wo nichts ihn vom Hungertod trennte außer einer Brieftasche, die bis zum Bersten mit Fünfhundert-Francs-Noten vollgestopft war. Als eine große Katastrophe war das wohl kaum zu bezeichnen. Und wenn man den alten Männern zusah, die lachten und über ihre boules debattierten, konnte man sich einfach nicht deprimiert fühlen.
    Als das Mädchen aus dem Café trat und sein leeres Glas sah, kam sie mit dem lässigen, trägen Gang, der typisch für Menschen ist, die in der Sonne leben, zu ihm an den Tisch.
    »Un autre?«
    »Merci.« Sie lächelte ihn an, und er sah ihr nach, als sie wegging. Ihre Hüften wiegten sich träge unter dem kurzen Baumwollrock, und ihre heruntergekommenen Espadrillos schlugen sanft gegen ihre Fußsohlen. Simon fragte sich, wie sie wohl in zwanzig Jahren aussehen würde, wenn ihre Jugend verblüht wäre.
    Als sie zurückkam, fragte er sie, ob es in der Nähe eine Übernachtungsmöglichkeit gäbe.
    Sie verzog in der typisch französischen Art das Gesicht, hob die Augenbrauen, schob die Lippen vor und stülpte sie nach unten. »Beh non.« Es gebe zwar den gite von Madame Dufour, aber der sei bis Ostern geschlossen. Dann seien da nur noch die Hotels in Gordes. Dabei streckte sie den braunen Arm in Richtung Westen aus, als ob Gordes sich tausend Kilometer entfernt am Rande der Zivilisation befände.
    Das Problem sei, erklärte Simon, daß er keine Möglichkeit habe, nach Gordes zu kommen.
    »Ah bon.« Das Mädchen dachte einen Moment lang nach, wobei sie sich mit den kleinen weißen Zähnen auf die Unterlippe biß. »Attends. Je vais chercher Maman.«
    Simon hörte, wie das Mädchen ihre Mutter rief und dann ein lauter, rascher Wortwechsel stattfand, dem er nicht folgen konnte. Schließlich erschien Maman, eine breite Woge von einer Frau in einem geblümten Kleid und Hausschuhen. Das Mädchen lief hinter ihr her.
    Maman strahlte Simon an, und unter dem zarten Flaum eines Schnauzbärtchens kamen goldene Zähne zum Vorschein. »Ah, ce pauvre monsieur. « Sie ließ sich langsam nieder, bis sie den Stuhl neben Simon unter sich begraben hatte, und beugte sich zu ihm hinüber, wobei sie ihn mit einem Schwall von Knoblauchdunst und Wohlwollen einhüllte. Es sei nicht alles verloren, meinte sie. Monsieur müsse die Nacht nicht unter dem Baum auf dem Dorfplatz verbringen. Über dem Café befinde sich ein Zimmer, pas grand' chose, aber sauber. Monsieur könne dort bleiben, und da es im Dorf kein Restaurant gebe, könne er mit ihnen en famille essen. Dreihundert Francs einschließlich Benutzung der Familiendusche. Voilà. Abgemacht.
    Simon nahm seine Taschen und folgte dem Mädchen zwei enge Treppen hinauf. Er versuchte vergeblich, sich von den Hüften, die ein paar Zentimeter vor ihm hin und her schwangen, nicht hypnotisieren zu lassen. Mach die Augen zu und denke an Mams Schnauzbärtchen. Als sie einen kleinen Absatz erreicht hatten, öffnete das Mädchen eine Tür und führte ihn in einen Raum, der nur wenig größer war, eine Mansarde mit einer niedrigen, steil abfallenden Decke, mit schummrigem Licht und heiß wie ein Ofen. »Ça chauffe, eh?« Das Mädchen öffnete das Fenster und anschließend die Fensterläden, so daß sich Simon nun der Blick bot, den er zuvor so genossen hatte. Er sah sich im Zimmer um — ein Einzelbett, über dem eine nackte Glühbirne hing, abgetretenes Linoleum auf dem Boden. Es erinnerte ihn an das Schlafzimmer für die Kleinen aus der Zeit, als er das Internat besuchte.
    »Formidable«, sagte er, stellte seine Taschen ab und

Weitere Kostenlose Bücher