Hotel Pastis
Werkstattraum drangen. Er stieg über einen großen schmuddeligen Schäferhund, der in der Sonne schlief, und als er einen Blick auf das düstere Schlachtfeld in der Garage Duclos warf, sah er die ölverschmierten Gummistiefel des Besitzers, die im Takt der Radiomusik aneinanderstießen. Der Rest des Mannes befand sich unter einem Citroën-Lieferwagen. Simon klopfte gegen die Wagentür, und Duclos rollte auf einem niedrigen Wägelchen hervor.
Zu ihm aufblickend lag er da, in der einen geschwärzten Hand einen Schraubenschlüssel, in der anderen einen Stofflumpen. »Oui?«
»Monsieur, bonjour. J’ai un petit problème.«
»Comme tout le monde. « Duclos richtete sich auf und wischte sich die Hände ab. »Alors, qu’est-ce que c’est?«
»Ma voiture...«
Duclos erhob sich von seinem Wägelchen und zog ein Päckchen Bastos heraus, während sie gemeinsam hinaus zum Porsche gingen. Simon mußte feststellen, daß das französische Wort für Auspuff in seinem Wortschatz fehlte, deshalb ging er in die Hocke und deutete auf den Schaden. Duclos kauerte sich neben ihn, während er an seiner Zigarette zog. Der Hund stand auf, um sich zu ihnen zu gesellen, drängte sich zwischen sie und schnupperte versonnen an dem schwarzen Reifen des Porsche, bevor er ein Bein hob.
»Filou! Va t’en!« Duclos schubste den Hund weg und beugte sich vor, um den herunterhängenden Auspuff näher zu betrachten. »Putain.« Er streckte die Hand aus und stieß gegen das verbogene Metallteil. Dann schüttelte er den Kopf. »Il faut le remplacer.« Ein weiterer nachdenklicher Zug an der Zigarette. »Beh oui. C’est foutu.«
Aber, so erklärte er Simon, es würde eine Zeit dauern, ein Ersatzteil für so einen Wagen — ein deutsches Modell, das in dieser Gegend nicht allzu häufig sei — zu besorgen. Er müsse einen neuen Auspuffsatz in Avignon, vielleicht sogar in Paris bestellen. Zwei, drei Tage. Und dann müsse er ja noch eingebaut werden. Ob Monsieur Ende der Woche wiederkommen könne? Normalement müßte die Sache bis dahin erledigt sein. Simons erster Gedanke war, zu telefonieren. Jedes Problem im Leben war mit einem Telefonat zu lösen. Aber wen sollte er anrufen, und was würde es nützen? Es war bereits spät am Nachmittag, und das Dorf machte nicht gerade den Eindruck, als gäbe es hier ein Taxi. Er saß fest. Duclos sah ihn an und zuckte die Achseln. Simon lächelte und zuckte ebenfalls die Achseln. Schließlich hatte er Urlaub.
Er holte seine Taschen aus dem Porsche und ging hinauf zu dem kleinen Dorfplatz. Vier Männer mit sonnengegerbter Haut spielten boules vor dem Cafe — Le Sporting stand in ausgeblichenen blauen Buchstaben über der Tür. Simon ließ seine Taschen neben einem kleinen Tischchen fallen und ging hinein.
Außer ein paar Fliegen, die über der verbeulten Eisvitrine in einer Ecke schwirrten, war niemand da. Tische mit Kunststoffplatten und eine Reihe alter Stühle waren wahllos im Raum verteilt, und hinter der langen zinkfarbenen Bar hing in einem Türrahmen ein Fliegenvorhang, der aussah, als bestehe er aus toten Raupen, und sich leise in der warmen Luft wiegte. Na gut, dachte Simon, das hier ist nicht gerade das Ritz. Er schlenderte zu dem breiten Spiegelglasfenster am Ende des Raums und pfiff leise, als er hinaussah.
Es war direkt nach Süden ausgerichtet, und man blickte auf eine flache Ebene, die am Fuße des etwa zehn Kilometer entfernten Lubéron endete. Das abendliche Sonnenlicht, das schräg von Westen einfiel, hinterließ tiefschwarze Schatten in den Bergfalten, die mit dem helleren, dunstigen Purpurgrau der Felswand und dem Grün der Pinien und Eichen kontrastierte. Unten in der Ebene wurden die regelmäßigen Linien der Weingärten von vereinzelten Bauernhäusern unterbrochen, die aussahen, als wären sie mit dünnem Pinsel und intensiven Farben in die Landschaft hineingemalt. Wie ein Spielzeug rollte ein Traktor in hellem Gelb geräuschlos über das schwarze Band der Straße. Sonst rührte sich nichts.
»Monsieur?«
Simon drehte sich um und sah ein Mädchen hinter der Bar. Er bestellte einen pastis und lächelte, da ihm einfiel, was Murât gesagt hatte; da war sie, genauso, wie er sie beschrieben hatte — die Vollendung der jungen Provençale mit den dunklen Augen und der olivfarbenen Haut. Als sie die Hand nach oben streckte, um das Glas aus einer der hinter der Bar montierten Flaschen zu füllen, beobachtete Simon das Muskelspiel ihrer nackten Arme. Spätestens jetzt wäre Murat mit einer
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