Hotel Pastis
nicht einmal, wo er die Nacht verbringen würde, und der Gedanke, daß er nur einer von vielen unbekannten Fremden war, gefiel ihm.
Ein Zeitungsjunge betrat das Café, und Simon kaufte ein Exemplar des Provençal. Der Leitartikel auf der ersten Seite war einem Boules-Turnier gewidmet, und der Rest der Zeitung bestand aus Nachrichten von den Dörfern der Region — eine ßte in Lourmarin, eine Weinprobe in Rognes, weitere Boules- Turniere. Trotz der modernen Aufmachung und der aufregenden Schlagzeilen strahlte das Blatt im Gegensatz zur britischen Presse etwas Altmodisches, fast Verschlafenes aus.
Simon trank sein Bier aus. Wo, hatte Murat gesagt, sollte er hinfahren? Apt? Er trat aus der Kühle des Cafés ins Freie, wobei ihn die Kartenspieler erneut beobachteten, und ging zum Porsche zurück. Drei Jungen inspizierten gerade neugierig den Wagen, und er sah, wie einer von ihnen zaghaft die ausladende Rundung des Kotflügels streichelte, als ob der Wagen beißen könnte. Als sie Simon entdeckten, wichen die Jungen zurück und sahen zu, wie er die Wagentür öffnete.
» Ça gaze, Monsieur? « Der Tapferste von ihnen reckte den Hals, um einen Blick in den Fahrerraum zu werfen.
» Oui .« Simon deutete auf den Tachometer. » Deux cent quarante. Même plus . «
Der Kleine schüttelte die Hand, als ob er sich die Finger verbrannt hätte. » Ça boume, alors. «
Als Simon losfuhr, winkten ihm alle drei nach, drei braune grinsende Äffchen. Er reihte sich vorsichtig in den Verkehr ein und folgte der Straße unter der Eisenbahnbrücke hindurch nach Apt. Auf der rechten Seite, hinter dem Schilderwald, der fast überall am Rande der Provinzstädte Frankreichs emporsprießt, konnte er in der Ferne ein niedriges grüngraues Gebilde erkennen — die kleineren Erhebungen des Lubéron. Er stellte die Lüftung ab und fuhr an den Straßenrand, um das Faltdach zu schließen. Es war halb fünf, die Sonne wärmte seine Schultern, und eine Brise strich durch sein Haar. Er wollte irgendwo auf einer ruhigen Terrasse zu Abend essen. Allmählich gestaltete sich das Leben angenehmer.
Er bog von der N100 ab, um den Grand-Prix-Fahrern aus der Umgebung zu entfliehen, die entschlossen waren, es einmal einem Porsche zu zeigen, und folgte einer schmalen Straße hinauf in die Hügel. Weit über sich konnte er die bleichen Steine und alten Ziegeldächer eines Dorfes erkennen, und er schaltete herunter, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Vielleicht gab es dort eine kleine auberge mit einem dicken Koch und eine Terrasse mit Blick auf die Berge.
Als er in eine unübersichtliche enge Kurve fuhr, mußte er heftig auf die Bremse treten, um nicht in den Traktor zu rasen, der die Mitte der Straße okkupierte. Der Fahrer blickte mit knallrotem, unbeteiligtem Gesicht zu Simon hinunter und deutete mit ruckartigen Daumenbewegungen auf den großen Behälter, den er hinter sich her zog und der mit einem Berg purpurfarbener Trauben beladen war. Er zuckte mit den Schultern und machte keinerlei Anstalten, auszuweichen. Simon setzte den Wagen zurück und fuhr in ein Feld. Plötzlich hörte er hinten unter dem Wagen etwas knirschen, ein Geräusch, das jeder Porschefahrer kennt und fürchtet, ein kostspieliges Geräusch. Mist. Der Traktorfahrer hob die Hand und bog ab, während Simon aus dem Wagen stieg.
Er sah sich die Überreste des Auspuffrohrs an, das zerfetzt an einer Verstrebung hing. Er war gegen einen Stein gekracht, der halb verborgen im Gras lag. Als er im ersten Gang behutsam den Hang hinauffuhr, schepperte der baumelnde Auspuff geräuschvoll über den Straßenbelag.
Das Dorf Brassière-les-Deux-Eglises (Einwohnerzahl im Winter 702, im Sommer etwa 2000), liegt verwegen auf dem Kamm eines südlichen Ausläufers des Mont Ventoux. Es kann mit zwei Kirchen, einem Café, einem Metzger, einem Bäcker, einer mairie, die am Dienstagnachmittag für zwei Stunden geöffnet ist, einer épicerie, einer Citroën-Werkstatt mit zwei Tanksäulen und einem wunderbaren Blick auf den Lubéron im Süden aufwarten. Abgesehen von Plänen (die vier Jahre lang diskutiert wurden), ein WC zu errichten, gibt es keinerlei touristische Einrichtungen. Die Besucher, die im Sommer regelmäßig hierherkommen, haben selbst bestens restaurierte Häuser im Ort, deren Fensterläden jedoch zehn Monate im Jahr verschlossen bleiben, weil niemand darin wohnt.
Der Porsche fuhr im Schleichtempo zur Kfz-Werkstatt hinauf und hielt dort. Simon hörte Radiogeräusche, die aus dem kleinen
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