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Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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Gott sei Dank waren sie noch nicht eingenickt.
    »Wenn Sie den Spot gesehen haben, bleibt noch viel Zeit für Ihre Fragen, und selbstverständlich haben wir eine Präsentationsmappe für Sie zusammengestellt, die Sie mitnehmen können.« Bei diesen Worten klopfte Simon auf den Stapel der dicken, spiralgehefteten Mappen, die vor ihm auf dem Tisch lagen, und hoffte, daß der Leiter der Kreativabteilung sich inzwischen vom ersten Schrecken erholt hatte. »Nun also, dann möchte ich David Fry, den Leiter unserer Kreativabteilung, bitten, Ihnen das zu präsentieren, was wir für eine außergewöhnlich wirkungsvolle Idee halten. David?«
    Hintern rutschten auf Stühlen hin und her, und die Aufmerksamkeit der Zuhörer richtete sich auf Frys schmächtige Gestalt in einem sackartigen, aber unverkennbar teuren Anzug am anderen Ende des Konferenztisches.
    David Fry, fast schon zu alt, um sein Haar noch zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden zu tragen, beugte sich mit hochgezogenen Schultern vor, bis seine Schulterpolster fast auf Ohrhöhe waren. Seine Augen sprühten vor Begeisterung, was teilweise auf die zuvor eilig in der Toilette geschnupfte Prise Kokain zurückzuführen war. David, der in einer normalen Mittelklasse-Familie aufgewachsen war und eine Privatschule absolviert hatte, hatte sich viele Jahre lang bemüht, die Spuren seiner Herkunft zu verwischen und das zu kultivieren, was er als »Gossensprache« bezeichnete. Er begeisterte sich für Dialektausdrücke, die jedoch meist schon veraltet waren, bis er sie im Groucho Club aufschnappte. Es gelang ihm aber, den Eindruck eines aus niedrigen Verhältnissen stammenden und in South London aufgewachsenen Mannes zu erwecken, der es trotzdem zu etwas gebracht hatte. Seine Idole waren die Cockney-Fotografen und — Schauspieler, und Nigel Kennedy war für ihn der Größte in der klassischen Musik.
    Er rückte sich die runde Nickelbrille zurecht und wandte sich an die Gummibarone. »Ich muß Ihnen eins sagen«, begann er, »es war nicht leicht. Wir haben es mit zwei Problemen zu tun. Da ist zum einen das Produktimage — Automaten in Toiletten, Dreierpackungen fürs Wochenende und so — und dann zum anderen die praktische Seite. Der Produktgebrauch.« Er machte eine Pause und ließ die Schulterpolster zucken. »Volle Kraft voraus, aber dann mal einen Moment innehalten, mittendrin. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Simon blickte den Konferenztisch entlang. Die Gummibarone wandten ihre Augen nicht von ihren Notizblöcken ab.
    Fry stand auf und entspannte seine schmalen Schultern unter den Polstern. »Aber es gibt nicht nur unangenehme Seiten, einiges spricht nämlich durchaus dafür.« Er nahm ein Chart vom Tisch und hob es in die Höhe. Die Gummibarone zeigten erste Anzeichen von Interesse. Grafiken mochten sie. Grafiken waren seriös.
    »Nun denn«, fuhr Fry fort und zeigte auf die erste Zeile, die in leuchtend roten Blockbuchstaben geschrieben war: VON ÄRZTEN EMPFOHLEN. »Ärzte mögen uns, stimmt’s?«
    Er deutete auf die zweite Zeile: SOZIALE VERANTWORTUNG. »Was ist damit gemeint? Es bedeutet, daß wir unseren Teil dazu beitragen, daß Sechzehnjährige nicht mehr in den Clubs geschwängert werden.«
    »Weiterhin — sehr wichtig heutzutage — die Gesundheit.« Die dritte Zeile lautete: SCHUTZ VOR KRANKHEITEN, DIE DURCH SEXUELLEN KONTAKT ÜBERTRAGEN WERDEN. »Wir alle wissen, die Welt ist verdammt widerlich. Mehr muß man dazu wohl nicht sagen.«
    Er legte die Charts beiseite, und die Kunden widmeten sich wieder ihren Notizblöcken.
    Fry sprach hastig weiter und zappelte dabei in seinem Anzug herum. »Das ist zwar alles schön und gut, aber es reicht nicht aus. Und wissen Sie, warum nicht?« Keine Antwort. Fry nickte, als ob er genau diese Reaktion erwartet hätte. »Es ist langweilig. Stinklangweilig. Man geht auf Nummer Sicher, hält sich brav daran, was der Arzt rät. Und das hat etwa ebensoviel Sex-Appeal wie ein Durchfallmittel.« Er machte eine Kunstpause und fuhr dann gedehnt fort: »Eine — totale — Sackgasse.« Er schüttelte den Kopf, und sein Pferdeschwanz wippte dabei zustimmend. »Es hat nichts mit dem zu tun, was Sie an den Mann bringen sollen. Rein gar nichts.«
    Es folgte eine kurze Pause, um den Gummibaronen Zeit zu geben, diese kritischen Bemerkungen zu verdauen.
    »Was Sie an den Mann bringen sollten«, fuhr Fry fort, »ist die populärste Sache der Welt.«
    Wieder Pause. Simon konnte sich vorstellen, was im kollektiven Bewußtsein der Kunden vor

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