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Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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glaube, wir müssen uns entschuldigen, Mr. Shaw. Eines dieser endlosen Mittagessen.« Der Gummibaron entblößte die Zähne. Seine Wangen waren von mindestens drei Gin leicht gerötet, und Simon fragte sich, ob er die Konferenz überhaupt durchstehen würde, ohne einzuschlafen.
    Er geleitete die Gruppe den Gang entlang, vorbei an eifrig über ihre Tastaturen gebeugten Sekretärinnen zu dem großen, vornehm dunkel gehaltenen und fensterlosen Konferenzraum, der mit dicken Teppichen ausgelegt war. Von draußen drang kein Lärm herein, nur das Surren der Klimaanlage war zu hören. Das Präsentationsteam, das bereits an dem großen ovalen Tisch Platz genommen hatte, erhob sich von den Stühlen, als die Kunden hereinmarschierten. Namen und Titel wurden ausgetauscht und im Wirrwarr der Vorstellungen gleich wieder vergessen, Aktenkoffer schnappten auf wie ratternde Gewehrsalven, Notizblocks wurden zurechtgelegt und Bestellungen von Kaffee, Tee und Mineralwasser aufgegeben. Der Chef der Gummibarone nahm eine der angebotenen Zigarren, und Simon stand auf, um seine Begrüßungsansprache zu halten, wie er es schon tausendmal zuvor getan hatte.
    »Lassen Sie mich zu Anfang sagen, wie sehr wir uns darüber freuen, Ihnen unsere Ideen präsentieren zu dürfen.« Der Chef der Gummibarone begutachtete seine Zigarre, während seine Kollegen jeden Blickkontakt mit dem Redner mieden und konzentriert auf ihre leeren Notizblocks starrten. »Aus den Unterlagen, die wir Ihnen geschickt haben, wissen Sie ja bereits, daß die Agentur für ihre exponierte und effektive Arbeit sowie für ihr breites Spektrum an Produkten und Serviceleistungen weithin bekannt ist. Ich muß jedoch sagen, daß Ihr Auftrag für uns von besonders großem Interesse ist.«
    Simon machte eine Pause und lächelte sieben ausdruckslose Gesichter an. »Es passiert nicht so häufig«, fuhr er fort, »daß wir die Möglichkeit bekommen, für ein Produkt zu arbeiten, das jedermann so nahe geht.«
    Nicht der Funken einer Regung in den teilnahmslosen Gesichtern. Ein schwieriges Unterfangen, beinahe so, als ob man einen Graben mit einem Teelöffel ausheben wollte. Der Chef der Gummibarone schien von der Zimmerdecke fasziniert, von der er seinen Blick nicht abwandte, und die übrigen setzten die Kommunikation mit ihren Notizblocks fort.
    Während Simon sich weiter bemühte, seine Ausführungen über die hochspezialisierten und perzeptiven Methoden der Problemanalyse, die die Agentur anwandte, mit Begeisterung vorzutragen, schätzte er den Grad der Aufmerksamkeit ab, der seinen Worten zuteil wurde. Jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, die Stimmung seiner Zuhörer richtig zu taxieren. Die hier mußten zu Mittag ein Betäubungsmittel eingenommen haben. Wenn sie eine Stunde lang den Vortrag über Marktanalyse und Mediaplanung durchgestanden hatten, würden sie nur noch vor sich hindämmern, und dann mußte man ihnen schon Feuer unter den Hintern legen, um sie wieder aufzuwecken. Er entschloß sich, die vorgesehene Reihenfolge der Präsentation umzuwerfen.
    »Normalerweise«, fuhr er fort, »tragen wir zuerst die Ergebnisse der Marktanalyse vor und erläutern die Überlegungen, die uns zu unserem Werbekonzept geführt haben. Heute aber verfahren wir anders.« Der Leiter der Marktforschungsgruppe, ein Mann, der seinen Auftritt im Rampenlicht bei solchen Gelegenheiten immer sehr genoß, sah von seinen Unterlagen auf und runzelte mißbilligend die Stirn. Simon sah, wie er seinen Mund öffnete und Protest einlegen wollte, und beeilte sich deshalb fortzufahren: »Heute gehen wir sofort in medias res.« Der Leiter der Kreativabteilung hielt augenblicklich inne, seinen Schreibblock zu bekritzeln, und sandte mit den Augenbrauen aufgeregt Signale an Simon.
    »Dies hat zwei Gründe. Zum einen sehen Sie auf diese Weise sofort, wie der Verbraucher unsere Werbekampagne wahrnimmt — ohne demoskopische Aufschlüsselung, ohne statistische Analyse, ohne Marketingprognosen. Den reinen Werbespot. Und zum zweiten...« Simon richtete einen Blick voll aufrichtigen Enthusiasmus’ auf den Chef der Gummibarone, der seinen Kopf huldvoll neigte. »... ja, der zweite Grund liegt darin, daß wir dies für eine der produktbezogensten und zugleich aufregendsten Werbekampagnen halten, die die Agentur jemals hervorgebracht hat. Und, ehrlich gesagt, wir können es gar nicht erwarten, Ihre Meinung dazu zu hören.« Simon blickte seine Zuhörer an, zwei oder drei Köpfe erhoben sich flüchtig von ihren Notizblocks.

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