Hotel Pastis
waren. Vorwürfe seitens des Leiters der Marktforschungsabteilung, dem man seinen großen Auftritt nicht gegönnt hatte; David Fry in einer Depression — die ihn nach Kokaingenuß immer befiel — angesichts der Tatsache, daß die kreative Arbeit der Abteilung überhaupt nicht gewürdigt worden sei; ein Gefühl der Leere und Enttäuschung bei allen anderen. Da wirkte es fast wie eine Erlösung, als Liz hereinkam und Simon einen Zettel gab, eine Erlösung allerdings, die nur von kurzer Dauer war: Mrs. Shaw ist an der Rezeption. Sie sagt, sie müsse Sie sprechen.
Simon sah, wie seine Frau dastand und Jordan schöne Augen machte, der von einem Bein aufs andere trat und sich kokett durchs Fiaar strich. Er war bekannt dafür, daß er bei Dinnerpartys gerne unter dem Tisch Annäherungsversuche unternahm — eine Gewohnheit, über die Caroline und Simon ihre Witzchen gemacht hatten, früher, als sie hin und wieder noch Witzchen machten. Schenkelgrapscher, so nannten sie ihn und versuchten es immer zu vermeiden, daß er neben den Ehefrauen der Kunden zu sitzen kam.
»Hallo, Caroline. Na, wie geht’s?«
Ihr Klimpern mit den Augendeckeln hörte auf, und ihr Lächeln verschwand. »Hallo, Simon.«
Jordan fiel plötzlich ein, daß er eine dringende Verabredung hatte. »Nett, Sie wieder einmal getroffen zu haben«, sagte er. »Ich muß los.« Er zupfte zum Abschied an seinen Manschetten und verschwand Richtung Aufzug.
»Sollen wir in mein Büro gehen?« fragte Simon. Dann folgte er seiner langbeinigen Exfrau mit dem kurzen Rock, vorbei an Liz, die sich diskret abgewandt hatte. Er schloß die Tür. »Möchtest du einen Drink?«
Ein überhebliches Kopfschütteln. »Das ist ein wenig zu früh für mich.«
Simon zuckte mit den Schultern und ging hinüber zu der kleinen Bar in der Ecke. Einen Augenblick dachte er daran, einen Whisky zu nehmen, dann seufzte er und goß sich lieber ein Glas Perrier ein. Caroline nahm in einer Ecke des Ledersofas Platz und paffte eine Zigarette — kurze beleidigte Züge, wobei sie beim Ausstößen des Rauchs jedesmal den Kopf in den Nacken warf.
»Seit wann rauchst du?«
»Die letzte Zeit war ziemlich aufregend. Jeden Tag diese verdammten Bauhandwerker.« Sie schnippte die Asche mit ihrem rotlackierten Zeigefinger von der Zigarette. Ihr Nagellack war im Ton genau auf den Lippenstift abgestimmt. Die Krokodillederschuhe passend zur Krokodilledertasche. In dem dunkelbraunen Wollkostüm kam ihr Haar, das von einem helleren Braun war, besser zur Geltung, und die Farbe ihrer Seidenbluse nahm das Hellblau ihrer Augen wieder auf. Simon stellte sich vor, daß sie wahrscheinlich einen anstrengenden Vormittag hinter sich hatte: zuerst die Qual der Wahl bei den Kleidern für das Lunch im San Lorenzo um drei, und dann noch ein längerer Friseurtermin. Zu seiner freudigen Überraschung stellte er fest, daß er sie überhaupt nicht mehr attraktiv fand.
Er setzte sich ans andere Ende des Sofas. »Also?«
»Ich dachte, es sei unter zivilisierten Menschen einfach besser, persönlich miteinander zu sprechen, als es über die Anwälte zu machen.«
»Aber wir waren doch schon bei den Anwälten.« Simon trank einen Schluck. »Du erinnerst dich doch? Oder willst du die Rechnungen sehen?«
Caroline seufzte. »Ich gebe mir Mühe, sachlich zu bleiben, Simon. Du mußt mir nicht gleich an die Kehle springen.« Sie sah ihn an und zog an ihrem Rock, bis er fast ihre Knie bedeckte. Denk bloß nicht, du könntest noch woandershin springen.
»Na gut, bleiben wir sachlich.«
»Es geht um das Haus. Die Kosten waren allesamt höher als veranschlagt. Die Vorhänge, die Gemälde, die Küche — Gott, die Küche — es war ein absoluter Alptraum. Du kannst es dir gar nicht vorstellen.«
»Das kommt mir aber alles sehr bekannt vor.«
Caroline drückte ihre Zigarette aus. »Das ist gar nicht lustig. Jede Kleinigkeit war teurer als im Kostenvoranschlag berechnet. Ich meine, sehr viel teurer.« Sie sah Simon mit weit aufgerissenen Augen an. Das war, wie er sich erinnerte, ein untrügliches Anzeichen dafür, daß etwas ganz Außerordentliches folgte. »Und jetzt wollen alle ihr Geld.«
»Tja«, sagte Simon, »das ist halt so eine ihrer schlechten Gewohnheiten.« Er überlegte, wie lange es wohl noch dauern könnte, bis sie mit einer Summe herausrückte und den notdürftig aufrechterhaltenen Anstrich gezwungener Höflichkeit fallenließ und durch Drohungen, Tränen oder hysterische Anfälle ersetzte. Er fühlte sich seltsam
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