Hotel Pastis
etwas seltsam, daß sie sich so sehr darauf freute, ihn wiederzusehen.
Als sie eine Berührung am Fußknöchel spürte, zuckte sie zusammen. Doch es war nur eine streunende Dorfkatze, die schnurrend und mit wie zum Gruß erhobenem Schwanz an ihr vorbeistrich.
»Na, was meinst du? Würde ihm das gefallen?«
7
E s war ein Glücksfall gewesen, daß der General die Scheune gefunden hatte. Sie befand sich draußen auf dem Land, fernab der Zivilisation nördlich von Joucas, war groß genug, um alles zu verbergen, was zu verbergen war, und von der Straße durch eine Reihe hoher, verwilderter Zypressen abgeschirmt. Der Besitzer hatte bereits vor Jahren die Landwirtschaft aufgegeben und war nach Apt gezogen. Bereitwillig hatte er sich mit fünfhundert Francs pro Monat einverstanden erklärt und dem General die Geschichte abgenommen, daß er den Platz für ein paar Traktoren brauche. Es mußte nur noch ein neues Schloß für die massiven Holztüren gekauft werden. Im Halbdunkel der Scheune hallte das frühmorgendliche Husten wider, als die ersten Zigaretten des Tages angezündet wurden und die Männer die Fahrräder in Augenschein nahmen, die an der Wand lehnten. Claude, dessen abgetragener Trainingsanzug sich über seinem massigen Körper spannte, schleppte sich hinüber und hob brummend eines der Räder am Rahmenrohr hoch.
»Erzähl mir nicht, daß es schwer ist«, meinte der General. »Das sind die leichtesten Räder in der ganzen Provence, Profiräder — zehn Gänge, Rennreifen, Wasserflaschen, Spezialsattel, alles.«
Claude brummte erneut. »Kein Zigarrenanzünder?«
Fernand schwang ein Bein über die Querstange seines Fahrrades und testete den Sattel. Er zuckte zusammen, während er gleichzeitig den Ranch seiner Zigarette ausstieß. » Ouf. Das ist ja, als würde man kastriert.«
Den anderen blieb das Lachen im Halse stecken, als sie ebenfalls ihre Sättel ausprobierten. »Die Profis — sitzen die die ganze Tour de France über auch auf diesen Rasierklingen?«
Der General versuchte, die Geduld zu bewahren. »Hört zu. Ich habe euch die besten Räder besorgt. Da sitzt man nun mal nicht wie im Sessel drauf. Nach ein oder zwei Wochen sind die Sättel weich. Bon, bis dahin habt ihr eben wunde Hintern.« Er musterte sie, wie sie unsicher auf ihren Rädern hockten. »Aber, meine Freunde, wenn das hier vorbei ist, sitzt ihr auf einem Kissen — aus hübschem, angenehmem Geld.«
Alle verstummten und dachten an ihren Anteil. Nur Jojo fiel seine Rolle als pflichtbewußter Stellvertreter wieder ein. »Er hat recht. Was ist schon ein wunder Arsch, he.«
Der General nickte. »Heute morgen werden wir uns bloß ein bißchen aufwärmen, damit ihr euch ans Fahrradfahren gewöhnt — zwanzig, dreißig Kilometer. Jeden Sonntag werden wir dann die Strecke verlängern, bis ihr hundert Kilometer schafft, ohne schlappzumachen, und dann nehmen wir uns ein paar kleine Hügel vor. Bis zum Frühjahr werdet ihr Beine wie aus Stahl haben. Allez!«
Sie schoben ihre Räder aus der Scheune in das herbstliche Sonnenlicht, ein buntes Sammelsurium verschiedenartigster Bekleidungsformen — von Claudes Trainingsanzug über die leuchtfarbenen Boxershorts der Borels bis hin zu Fernands ölverschmiertem Mechanikeroverall. Der General nahm sich vor, ihnen für den Winter etwas Passenderes zu kaufen, vielleicht diese dicken schwarzen, enganliegenden Hosen, die vor Wind schützten und die Muskeln warm hielten.
»Biegt am Ende des Weges nach links ab«, erklärte er. »Ich werde euch nachfahren.« Er verriegelte die Türen und ließ das Schloß einschnappen. Jetzt, da die Sache endlich ins Rollen kam, fühlte er sich ausgesprochen wohl und munter. Er war zuversichtlich und außerdem froh, daß er den Job des Teamtrainers übernommen hatte. Diese Sättel waren wirklich brutal.
Es war völlig ausgeschlossen, die Gruppe für geübte Radfahrer zu halten. Sie wackelten hin und her, fuhren im Zickzack und fluchten, während sie an der Gangschaltung herumfummelten. Zwei oder drei von ihnen war es nicht gelungen, in die Rennhaken zu kommen, und sie traten mit dem ganzen Fuß in die Pedale wie alte Weiber, die zum Markt schlurften. Bachirs Sattel war zu niedrig eingestellt, so daß seine Knie auf beiden Seiten des Rades herausragten, was ziemlich unbeholfen und linkisch wirkte. Jojo rauchte. Der General kam zu dem Schluß, daß sie ein paar grundsätzliche Instruktionen brauchten. Er überholte sie und gab ihnen per Handzeichen zu
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