Hotel Pastis
abschließenden Seitenblick zu Nicole machte sie sich wieder auf den Weg, ihre Mission war erfüllt.
Nicole lachte. »Du warst aber nicht besonders nett zu ihr.«
»Ich kann diese verdammte Frau nicht ausstehen. Eine von Carolines ekelhaften Freundinnen. Sie wird den ganzen Abend damit verbringen, uns im Auge zu behalten, und morgen wird sie gleich als erstes Caroline anrufen und ihr alles erzählen.«
Sie bestellten, und Simon versuchte, das Gefühl zu ignorieren, daß sie beobachtet wurden. »Erzähl mir etwas von der Provence«, meinte er. »Wie ist es dort im Winter?«
»Sehr ruhig, und manchmal sehr kalt. Wir entfachen große Feuer, trinken zuviel Rotwein und lesen, und skifahren kann man auch. Manchmal denke ich, es gefällt mir im Winter besser als im Sommer.« Als sie zum Glas griff, bemerkte Simon, daß sie immer noch ihren Ehering trug.
»Wir?«
»Die Leute, die das ganze Jahr über im Lubérongebiet leben.«
»Mir hat es dort unten sehr gefallen. Es ist wunderschön.«
»Du solltest wiederkommen. Fahr aber deinen Wagen nicht wieder in den Acker.« Sie mußten beide lachen, die Leute an dem anderen Tisch gewannen den Eindruck, daß sie sich sehr wohl fühlten. Arme Caroline. Sophie konnte es kaum erwarten, ihr die Neuigkeiten mitzuteilen.
Nicole aß mit großem Appetit — Pasta, Ossobucco und eine Menge Brot. Das macht doch viel mehr Spaß, dachte Simon, als Caroline zuzusehen, wie sie ihren Salat auf dem Teller hin und her schiebt. Er stellte fest, daß es ihm sehr gefiel, wenn eine Frau ihr Essen sichtlich genoß — das leichte konzentrierte Stirnrunzeln, wenn sie ein Stück Fleisch vom Knochen trennte, das gelegentliche Aufblitzen einer rosafarbenen Zunge im Mundwinkel, die kleinen Laute des Wohlbehagens.
»Du ißt wie eine Katze«, meinte er.
»Nein, ich glaube eher wie ein routier.« Nicole tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab, trank einen Schluck Wein und griff nach ihrer Zigarettenschachtel. Als Simon ihr Feuer gab, beugte sie sich vor und berührte seine Hand. Und Sophie Lawson überlegte nach einem Blick auf ihre Armbanduhr, ob es schon zu spät sei, um Caroline anzurufen.
Im Restaurant wurde es allmählich ruhiger. Simon bestellte Kaffee und zündete sich eine Zigarre an. »Was hast du vor hier in London?«
»Nichts Bestimmtes. Ich werde einige Zeit mit Emma verbringen, aber ich muß am Wochenende wieder zurück sein. Ich erwarte Besuch von einem Freund aus Paris. Außerdem halte ich es inzwischen nicht mehr lange in der Großstadt aus. Auf dem Land fühle ich mich wohler.«
Simon dachte daran, wie seine Wochenenden aussahen — den Samstag verbrachte er im Büro, am Sonntag saß er völlig erschöpft über den Zeitungen oder vor dem Fernseher und wartete auf den Montagmorgen, wenn alles wieder von vorn anfing. Wie die meisten Leute aus der Werbebranche dachte auch er oft daran, auszusteigen, und fand jedesmal Gründe, es dann doch nicht zu tun. Denn was gab es schon für Alternativen?
»Du hast Glück«, meinte er. »Du bist mit dem Ort zufrieden, an dem du lebst. Viele Leute sind das nicht.«
»Du auch nicht?«
Simon schüttelte den Kopf. »Ich lebe in einem Büro.«
»Mußt du das?«
»Ich glaube, ich trinke lieber noch etwas, bevor ich darauf antworte. Magst du ein Glas Champagner?« Nicole nickte lächelnd, und Simon winkte einen Kellner herbei, der die Bestellung dem Mann hinter der Bar zurief.
»Also so etwas!« empörte sich Sophie Lawson, während sie aufstand. »Hast du das gehört? Champagner! Wahrscheinlich trinkt er ihn auch noch aus ihrem Schuh.« Sie winkte Simon quer durch den Raum mit den Fingern zu. »Ruf an, mein Lieber.«
Mit einer gewissen Erleichterung nickte Simon ihr zum Abschied zu und lehnte sich zurück, während er über Nicoles Frage nachdachte. Sie schwieg, das Kinn auf eine Hand gestützt, und sah ihn prüfend an — ein müdes Gesicht, dachte sie, mit zerfurchter Stirn und einem Anflug von Grau in einer Augenbraue — und traurig.
»Erklär mir bitte«, hob sie erneut an, »warum du in einem Büro leben mußt, obwohl du es gar nicht willst.«
»Ich denke, ich muß es eigentlich nicht. Es ist eine Gewohnheit, ich lebe schon seit Jahren so.«
»Und jetzt macht es dir keinen Spaß mehr?«
»Es macht mir schon lange keinen Spaß mehr.« Simon starrte in sein Champagnerglas und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht. Es lebt sich gut davon. Ich habe oft daran gedacht, etwas anderes zu machen — fast hätte ich einmal einen
Weitere Kostenlose Bücher