Hotel Pastis
wenigen maçons in der Provence, die niemals mitten in einem Auftrag pleite gemacht hatten, nie einen Versicherungsschwindel begingen oder sich bestechen ließen. Der schneidet sich mit seiner Ehrlichkeit ins eigene Fleisch, dachte Jojo, aber das ist sein Problem.
Als verantwortungsbewußter Stellvertreter machte Jojo sich Gedanken über die physische Leistungsfähigkeit zweier seiner Leute. Claude und die Borel-Brüder waren bereits aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit einigermaßen fit, ebenso Fernand, der in der Autowerkstatt als Ausschlachter und Spengler arbeitete. Aber Bachir tat nichts anderes, als heimlich Zigaretten hinter der Bar zu rauchen und Kaffeetassen hin und her zu tragen. Und Jean — tja, Jean war eine einzige Katastrophe. Wenn er etwas Schwereres als anderer Leute Brieftaschen tragen mußte, brach ihm schon der Schweiß aus. Jojo hatte die beiden bei den Trainingstouren beobachtet. Sie waren grundsätzlich die letzten und schafften es überhaupt nur mit offensichtlichen Schwierigkeiten. Eine Tour pro Woche genügte nicht. Wenn sie mit den anderen mithalten wollten, mußten sie härter rangenommen werden. Jojo beschloß, mit Claude darüber zu reden.
Eines Abends gingen sie nach der Arbeit in eine Bar in Bonnieux, die Jojo gefiel, weil man dort das Rauchverbot ignorierte und Madame ein ordentliches Rumpsteak mit frites für fünfzig Francs servierte. Sie setzten sich an einen Tisch in einer Ecke und kippten wortlos den ersten pastis. Jojo seufzte erleichtert und bestellte mit einem Kopfnicken Nachschub.
»Muttermilch, wie?«
Claude wirbelte die Eiswürfel in seinem leeren Glas herum. »Weißt du was? Das ist mir lieber als Champagner.«
»Ich besorge dir eine ganze Kiste davon, wenn wir die Sache hinter uns haben. Die kannst du dann in den Kofferraum deines Mercedes stellen, falls du mal auf dem Weg zum Friseur Durst bekommst.«
Der hochgewachsene Mann fuhr sich mit der Fland durchs Haar und verteilte dabei den feinen Staub, der sich dort im Lauf des Nachmittags beim Ziegelsägen angesammelt hatte. Seine Hände waren rissig und vernarbt wie die von Jojo, die Finger klobig geworden von jahrelanger harter Arbeit, die Nägel glanzlos und brüchig, »‘ne Maniküre könnte ich auch gebrauchen«, meinte er.
Madame kam mit der zweiten Runde pastis an den Tisch. »Wollt ihr auch was essen, Jungs?« Jojo nickte, und sie sagte ihr Sprüchlein auf. »Doppelte Portion frites, Steak à point, nicht zu vergessen den Senf und einen Liter Roten. Richtig?«
»Sie sind ein Engel«, lobte Jojo.
»Sagen Sie das mal meinem Mann.« Die Frau ging zurück zur Bar und rief die Bestellung in die Küche.
Jojo zündete sich eine Zigarette an und beugte sich zu Claude vor. »Hör mal, wir müssen unsere kleinen grauen Zellen mal ein bißchen anstrengen.«
Claude saß über den pastis gebeugt da, und sein Gesicht nahm einen ernsten Zug an, einen Ausdruck der Unbehaglichkeit, wie immer, wenn er sich geistig anstrengen mußte.
»Es geht um Bachir und Jean. Ich habe sie nach dem Training gesehen, und sie sind völlig crevé.« Jojo nahm einen Zug von seiner Zigarette und blies den Rauch in die Richtung einer Fliege, die sich zu nahe an sein Glas herangewagt hatte. »Bei den anderen sehe ich kein Problem. Wir arbeiten eben, verstehst du? Wir sind kräftig. Aber die zwei stehen ja den ganzen Tag nur herum. Sie haben keine Kondition, keine Ausdauer.« Claude nickte. »Bachir hat letzten Sonntag sogar gekotzt, erinnerst du dich? Übers ganze Vorderrad. Und Jean hat ausgesehen wie ein Stück Kalbfleisch, so weiß war er.«
»Voilà.« Jojo lehnte sich zurück, zufrieden, daß Claude die Ausmaße dieses Problems erkannte. »Wir müssen eine Möglichkeit finden, wie wir sie fit kriegen, sonst fallen sie uns nur zur Last.«
Die beiden Männer schwiegen und starrten in ihre Gläser, als erwarteten sie von dort eine Eingebung. »Ich weiß nicht«, sagte Claude, »aber vielleicht könnten sie mit uns auf dem nächsten chantier arbeiten. Graben, Säcke schleppen, Fonzi kann doch immer ein paar Hilfsarbeiter gebrauchen, oder?« Er zuckte die Achseln. »Ist bloß so eine Idee.«
Ein Lächeln stahl sich auf Jojos Gesicht, während er Claudes erwartungsvolle Miene betrachtete. »C’est, pas con«, meinte er. »C est pas con du tout.« Er klopfte Claude auf die Schulter, und eine kleine Wolke Zementstaub stieg auf. »Mein Freund, manchmal möchte ich dich abknutschen.«
»Soll ich euch zwei Hübschen allein lassen, oder dax f
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