Hotel Pastis
ihrem Nacken, während er weitersprach. »Mr. Shaw ist selbst erst seit wenigen Minuten im Haus, aber er wird gleich hier sein. Wenn Sie es sich auf dieser abscheulichen Couch bequem machen wollen — praktisch unmöglich, ich weiß — , werde ich Ihnen ein Glas Champagner holen.« Als er in die Küche ging, blickte er über die Schulter zurück. »Wissen Sie, wir wohnen hier zur Miete, bis wir etwas Passenderes gefunden haben.«
Nicole hörte, wie er geräuschvoll schniefte, und dann den gedämpften Knall eines Sektkorkens. Plötzlich tauchte Ernests Kopf neben der Küchentür auf. »Ich bin unhöflich. Vielleicht hätten Sie lieber Scotch? Oder Sherry?«
»Nein, danke, Champagner ist mir gerade recht.«
Ernest brachte ein kleines Silbertablett mit einer Champagnerflöte, einer Schale mit Macademianüssen und einer kleinen Leinenserviette und stellte alles behutsam auf dem niedrigen Tischchen vor Nicole ab. »Voilà.«
»Sie sprechen Französisch?«
»Wie ein schrecklich zurückgebliebener Schuljunge. Aber ich habe ein äußerst eindrucksvolles Schulterzucken, wenn ich das ganz unbescheiden sagen darf.« Er zuckte mit den Schultern und legte eine Hand an die Hüfte. »Sehr gallisch, finden Sie nicht auch?«
Nicole lachte und prostete ihm zu. »Santé.«
In diesem Augenblick hörte man eilige Schritte auf dem Parkettboden, und Simon betrat den Raum, sein Haar war noch feucht vom Duschen, und der gepunktete Schlips saß leicht schief. »Entschuldige bitte.« Er warf Nicole einen reumütigen Blick zu. »Sprichst du noch mit mir?« Er beugte sich hinunter und küßte sie. Als seine Lippen die duftende Haut ihrer Wange berührten, wünschte er sich, er hätte sich noch einmal rasiert. Ihre Blicke trafen sich zwei Sekunden länger, als es Sitte und Anstand geboten. »Hallo, Simon.«
»Für Sie auch ein Glas Champagner, Mr. Shaw?«
»Danke, Ernest.« Simon trat zurück, nahm das Glas und hob es zu Nicole gewandt hoch. »Auf den Chauffeur. Das war sehr freundlich von dir. Ich hoffe, es war nicht allzu langweilig.« Nicole hätte ihm am liebsten die Krawatte gerade gezogen. »Nein, wirklich...«
Ernest hüstelte leise, aber nachdrücklich. »Nun, ich werde mich zu den belaubten Lichtungen von Wimbledon aufmachen.« Er sah Simon an. »Vorausgesetzt, Sie brauchen mich nicht mehr.«
»Ich glaube nicht, Ern, danke. Bis morgen.«
Ernest machte eine Verbeugung in Richtung Nicole. »Bon appetit, madame .«
»Merci , Ärnest.«
»Ah, Ärnest «, wiederholte er. »Das hat einen Klang, nicht wahr? Wesentlich hübscher als Ern. Gute Nacht.«
Als die Wohnungstür sich hinter ihm schloß, lachte Nicole. »Er ist ein Original, findest du nicht auch? Ich mag ihn. Wie lange ist er schon bei dir?«
Simon erzählte ihr von Ernest und den ersten Tagen der Agentur, als es noch Spaß machte, dort zu arbeiten — der Zeit, als Ernest vorgab, ein Kunde zu sein, um einen anwesenden Bankleiter zu beeindrucken, von seinen Fehden mit Exfrauen und Sekretärinnen, seiner Abneigung gegen Berufspolitiker und von seiner beständigen und unaufdringlichen Loyalität. »Du hast ein sehr enges Verhältnis zu ihm, nicht wahr?«
Simon nickte. »Ich vertraue ihm. Er ist so ziemlich der einzige, dem ich vertraue.« Er sah auf seine Uhr. »Wir sollten gehen. Ich habe einen Tisch in einem italienischen Restaurant reservieren lassen — ich hoffe, das ist okay. Ich dachte, eine Abwechslung von der französischen Küche würde dir vielleicht gefallen.«
Als Simon einen Schritt zur Seite trat, um Nicole durch die Tür zu lassen, hielt sie inne. »Entschuldige. Ich kann der Versuchung unmöglich widerstehen.«
Er sah zu ihr hinunter und spürte, wie sich sein Hals zuschnürte, als sie den Sitz seiner Krawatte korrigierte. »Ich nehme an, normalerweise macht das Ernest, non ?«
»Ich glaube, er hat mich schon längst als einen hoffnungslosen Hinterwäldler aufgegeben.«
»Hinterwäldler? Was ist das?«
Während sie zum Auto gingen, klärte Simon sie über Hinterwäldler auf, und als sie durch den Hyde Park nach Kensington fuhren, wurde er sich erst ihrer Nähe bewußt. Ihm fiel ein, daß er in London schon seit Monaten mit keiner Frau mehr ausgegangen war. Nicole musterte sein Profil, während er sprach, die gerade Nase und das entschlossene Kinn, die dunklen Haare, die einen Schnitt gebrauchen könnten, das formelle Erscheinungsbild, das durch Anzug und Krawatte hervorgerufen wurde. In der Provence hat er lässiger ausgesehen, dachte sie.
Das
Weitere Kostenlose Bücher