Hotel Pastis
und um sicherzugehen, daß dies in der Agentur alle zur Kenntnis nahmen, trug er seine Gutsherrenkleidung aus Tweed — einen borstigen Anzug in der Farbe von welkem Moos, mit einer weit geschnittenen Jacke mit vielen Falten und einer Hose, die so steif aussah, als würde sie auch ohne Inhalt stehen bleiben. Ein Flanellhemd mit grobem Karomuster, einen hellgelben Schlips und rötlichbraune Straßenschuhe aus Wildleder. Simon überlegte, ob der Anzug wohl biologisch abbaubar war, falls er sich überhaupt verschleißen würde. Wahrscheinlich nicht. Es sah fast kugelsicher aus.
»Morgen, Nigel. Ich wollte Sie schon immer nach dem Namen Ihres Schneiders fragen.«
Jordan nahm Platz, wobei er die Hose ein bißchen hochzog und die gesprenkelten Socken sichtbar werden ließ. »Chap in der Cork Street. Ich gehe schon seit Jahren zu ihm. Er läßt sich den Tweed extra von einer kleinen Firma in Schottland weben.« Selbstzufrieden blickte er auf seine pelzartig behaarten Beine. »So was ist heutzutage nicht mehr so leicht aufzutreiben.«
Simon nickte. »Das glaube ich.« Er schob ein Blatt Papier über den Tisch. »Nun, es hat geklappt. Dreihundert Millionen Dollar weltweit, vielleicht sogar mehr. Das ist der Entwurf für eine Pressemitteilung. Wir sollten sie gleich heute rausgehen lassen, bevor Ziegler sämtliche Redaktionen in London anruft.«
Jordan griff nach dem Papier, hielt aber mitten in der Bewegung inne. »Mein Gott, das ging aber schnell. Meinen Glückwunsch, alter Junge. Gut gemacht. Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können.« Er las die Mitteilung durch, nickte und legte sie auf den Tisch. »Dann kann’sja losgehen. Unsere Freunde in der City werden erfreut sein. Und die Truppe ebenfalls.«
»Nicht alle«, ergänzte Simon. Er zog den Ausschnitt aus der Zeitschrift Campaign heraus. »Dem hier entnehme ich, daß ein oder zwei die Nerven verloren haben. Von Breakaway ist da die Rede, Topmanagern, großen Geschäftsanteilen. Was glauben Sie? Ist da irgend etwas dran, oder ist das nur der übliche Mist, den sie erfinden, wenn sie nicht genügend Meldungen haben?«
Simon hatte noch nie gesehen, daß Jordan rot wurde. Rote Flecken sprenkelten seine Wangen, und sein Hals schwoll deutlich sichtbar an. Mit übertriebenem Interesse untersuchte er den Inhalt seiner Zigarettenschachtel, bevor er eine herausnahm und anzündete.
»Ach«, sagte er, »das da. Ich wollte sowieso schon mit Ihnen darüber reden. Vielleicht hat sich jemand verplappert. Sehr bedauerlich.«
»Wer?«
»Nun, ich, um ehrlich zu sein.«
»Und weiter?«
»Letzte Woche war ich mit Jeremy Scott im Annabel’s — Sie wissen schon, dem Vorsitzenden von Anglo...«
»Bei dem Namen gehen sämtliche Warnlampen an«, meinte Simon. Anglo Holdings war einer der drei größten Kunden der Agentur.
»Nun, wir haben einen Bissen zusammen gegessen, und dann gab’s noch einen kleinen Nachttrunk. Wir haben an der Bar gesessen und über die Höhe der Rechnung gewitzelt — sie haben den Etat ja nochmals erhöht, wie Sie wissen — , und Jeremy sagte so etwas wie: Anglo sei groß genug, sich eine ganze Agentur zu halten.« Jordan hielt inne und warf einen prüfenden Blick auf das Zigarettenende. »Und dann tat wohl der gute alte Whisky seine Wirkung, und ich habe wahrscheinlich etwas Dummes gesagt.«
»Darüber, daß Sie Ihre eigene Agentur aufmachen wollen?«
»So etwas in der Art, ja — aber es war nur Spaß, alter Junge, nur Spaß.«
»Natürlich«, erwiderte Simon. »Aber wie ist das Ganze in die Campaign gekommen?«
»Nun, ich habe es erst gemerkt, als wir rausgingen, aber am anderen Ende der Bar standen ein paar Kerle von JWT. Die haben wahrscheinlich mitbekommen, worüber wir sprachen, und es in den falschen Hals gekriegt. Dann ein kurzer Anruf bei Campaign ...« Jordan schüttelte den Kopf. »Verdammt unangenehm, wirklich. Wenn man sich im Annabel’s nicht mal mehr in Ruhe unterhalten kann, ohne daß die Presse es sofort aufschnappt, weiß ich nicht, wo das alles enden soll.«
Simon seufzte. Wenn man wollte, daß ein Gerücht sich über Nacht in Tatsachen verwandelte, war die Bar im Annabel’s der beste Ort. Er beugte sich vor. »Nigel, ist Ihnen bewußt, wie das Parker-Geschäft den Wert unserer Aktien beeinflussen wird? Ihren persönlichen Nettowert?« Gott, dachte er, ich fange schon an, wie Ziegler zu reden. »Ich arbeite hier an ein paar Projekten, die sehr interessant sein könnten. Ich muß deshalb wissen, ob ich mich auf Sie
Weitere Kostenlose Bücher