Hotel Pastis
Nickerchen, und heute abend ist nichts fertig. Los, geh schon. Und vergiß nicht — Skonto bei Barzahlung.«
Der General lächelte vor sich hin, als er ins Auto stieg. Eine brave Frau, seine Mathilde. Jeden Sou drehte sie zweimal um. Wenn sie reich wären und Millionen besäßen, wäre sie wahrscheinlich auch nicht anders, und wenn die Sache klarging, dann würde dieser Fall bald eintreten. Er bog an der Abzweigung nach Isle-sur-Sorgue ab und spürte eine leichte Leere in der Magengrube, eine Aufregung. Mathilde glaubte, er ginge zum Zahnarzt. In Wirklichkeit aber war er im Begriff, ein paar Nachforschungen am Schauplatz des Verbrechens anzustellen. Er parkte zweihundert Meter vor der Caisse d’Epargne und sah auf die Uhr. Noch genug Zeit, um vor der Verabredung alles zu besorgen, was er brauchte. Er kaufte zwei Exemplare des Provençal und besorgte sich in einem Schreibwarenladen ein kleines Notizheft sowie zwei große Umschläge aus festem Packpapier, die sich hervorragend bauschten, als er die zusammengefalteten Zeitungen hineinsteckte.
Zehn Minuten mußte er noch totschlagen. Er betrat die Bar am Ende der schmalen Brücke, die über den Fluß führte, und bestellte einen Calvados, um seine Nerven zu beruhigen. Die Stadt war still und wie ausgestorben, ein typischer träger Herbstnachmittag. Der General spürte, wie der Calvados ihm warm und beruhigend die Kehle hinunterrann, und er stellte sich vor, daß an jenem Sonntag im Juli nächsten Jahres von dieser Bar aus die Welt ganz anders aussehen würde. Den Fluß entlang würden Marktstände aufgebaut sein, bric-à-brac -H ändler überall zu beiden Seiten der Hauptstraße, scharenweise Touristen; der Verkehr würde zusammenbrechen und kein Verkehrspolizist weit und breit zu sehen sein. Sie würden natürlich die Hitze meiden und die Autofahrer ihre Streitigkeiten unter sich ausmachen lassen. Perfekt.
Der General wischte sich über den Schnurrbart, verstaute seine Umschläge unter dem Arm und überquerte mit forschem Schritt die Brücke, als ob er wichtige, vertrauliche Geschäfte abzuwickeln hätte. Er ging an dem alten Wasserrad neben der Bank vorbei, schaute nur flüchtig hinunter auf den grün schillernden Fluß und stieg dann die breite Treppe zum Eingang hinauf.
Der Angestellte hinter der Theke ignorierte ihn zwei Minuten lang, wie es in den Bankstatuten vorgeschrieben war, bevor er von seinen Computerausdrucken aufblickte.
»Ich bin«, sagte der General, »mit Monsieur Millet verabredet.«
Der Angestellte seufzte, trennte sich nur widerwillig von seiner höchst wichtigen Beschäftigung und führte den General zu einem kleinen Büroraum in der Ecke. Er klopfte an die Glastür, bevor er sie aufstieß und dem Mann mit dem dunklen Haar, der über seinen Schreibtisch gebeugt war, etwas zumurmelte. Monsieur Millet nahm seine Brille ab, legte sie vorsichtig und exakt mitten auf die Unterlagen, die er gerade durchgesehen hatte, stand dann auf und streckte dem Gast seine bleiche, schmale Hand entgegen. Er war schmächtig und adrett gekleidet, mit einem weißen Hemd und einer sorgfältig geknoteten Krawatte. Sein Schreibtisch war aufgeräumt und wirkte fast leer, die Bleistifte waren gespitzt. Die gerahmte Fotografie einer hübschen Frau und eines ebenso hübschen Kindes war neben einem Ablagekorb aufgestellt. Der General wunderte sich, weshalb nirgends ein Telefon zu sehen war, als aus einer der Schreibtischschubladen ein Klingeln ertönte. »Entschuldigen Sie«, sagte Monsieur Millet. »Bitte, setzen Sie sich!« Er öffnete eine Schublade und beförderte ein Telefon zutage. Da der General die symmetrische Ordnung des Schreibtischs durch seine dicken Umschläge nicht stören wollte, behielt er sie auf dem Schoß.
Als Monsieur Millet sein Gespräch beendet hatte, verstaute er das Telefon wieder in der Schublade. Er stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch, faltete die Hände und beugte sich nach vorn, um dem General seine volle Aufmerksamkeit zu widmen. »Alors ...?«
Der General klopfte mit der Hand auf die Umschläge auf seinem Schoß. »Ich habe hier ein paar Unterlagen — Urkunden und Verträge — , Papiere, die man nicht gern verlieren möchte.«
»Urkunden und Verträge«, wiederholte Monsieur Millet. »Ich verstehe. Unterlagen von Wert und Bedeutung.«
»Genau. Und aus diesem Grund möchte ich sie gern an einem Ort aufbewahrt wissen, der mir große Sicherheit garantiert.«
»Ein Optimum an Sicherheit, mein lieber monsieur. Ein Optimum an
Weitere Kostenlose Bücher