Hotel Pastis
Hotelbetrieb mußte er herunterspielen, aber bis dahin waren es glücklicherweise noch sechs ganze Monate. In der Zwischenzeit würde man in der Branche bereits über andere Leute reden. Bekanntermaßen gibt es ja in der Werbebranche nichts, was über einen längeren Zeitraum die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen vermag.
Jemand klopfte an die Tür; Simon schob den Entwurf der Pressemitteilung in einen Aktenordner und blickte auf.
» Bonjour, jeune homme «, begrüßte ihn Ernest. »Darf ich ein treten?«
»Kommen Sie herein, Ern. Wie geht es voran?« Ernest hatte die ersten Tage seines Berlitz-Kurses hinter sich und ging ganz in der Rolle des eifrigen Studenten auf. Er trug einen langen Schal und eine edle Schultasche aus schokoladenbraunem Wildleder.
»Mein Lieber, ich breche fast zusammen vor Erschöpfung. Vier Stunden nur bei Miss Dunlap — oder Mademoiselle Dunlap, wie sie lieber genannt werden will — , das laugt einen völlig aus. Aber ich mache Fortschritte. Ich habe mir sagen lassen, daß mein musikalisches Gehör sehr hilfreich ist.« Ernest befreite sich von dem mehrfach umgeschlungenen Schal und ließ ihn bis auf die Knie hinunterfallen. »Offensichtlich bin ich bei den Vokalen besonders gut.«
»Ich habe Ihre Vokale immer sehr bewundert, Ern.«
»Laut Miss Dunlap können nur wenige von uns das französische >u< korrekt aussprechen.« Ernest ließ sich auf der Armlehne der Couch nieder. »Aber ich bin nicht hergekommen, urn Sie mit Geschichten aus der Schule zu langweilen. Ich habe nämlich eine Idee.«
Simon nahm eine Zigarre aus dem Kästchen, das auf dem Tisch stand, und lehnte sich zurück.
»Erinnern Sie sich noch daran, daß Sie gesagt haben, wie wichtig es sei, den Bürgermeister auf unserer Seite zu haben, wenn das Hotel eröffnet wird? Nun, mir ist eingefallen — nur eine pensée, aber eine ziemlich gute, glaube ich — , daß wir eine Weihnachtsfeier veranstalten könnten. Mit dem Bürgermeister und seiner Frau, versteht sich, mit diesem netten Monsieur Blanc und ein paar Leuten aus dem Ort. Nicole könnte uns bei der Gästeliste beraten. Es wäre eine nette Geste, eine kleine entente cordiale, um sie schon mal vorab zu informieren, was wir vorhaben. Vielleicht könnte man es auch Öffentlichkeitsarbeit nennen.«
Simon nickte. Es klang vernünftig und würde vielleicht sogar Spaß machen. »Haben Sie auch schon darüber nachgedacht, wo das Ganze stattfinden könnte?«
»Wo wohl, mein Lieber? Im Hotel. Unsere allererste soirée .« Simon dachte an die nackten Steine, die Löcher in den Wänden, den Mistral. »Ern, es wird kalt sein. Vielleicht gibt es sogar Frost. Es ist eine Baustelle, kein Hotel.«
»Ach«, rief Ernest aus, »Sie haben ein bißchen zuwenig Phantasie. Und Sie sind, wenn ich so sagen darf, schrecklich unromantisch.«
»Ich kann nicht romantisch sein, wenn ich friere. Ich erinnere mich noch an eine meiner Hochzeitsreisen — war es Zermatt? Ja, Zermatt -, es war ein schrecklicher Reinfall.«
Ernest sah ihn abschätzig an. »Das lag wohl mehr an der frostigen Gattin, nehme ich an, als an der Temperatur.« Mit einem Naserümpfen, das der Gattin galt, wechselte er das Thema. »Sie werden jedenfalls nicht frieren, das verspreche ich Ihnen. Bis dahin werden wir bereits Fensterläden haben. Und im Kamin werden die Holzscheite feierlich knistern, partout werden Pfannen mit glühender Kohle aufgestellt, das Flackern des Kerzenscheins auf den Steinen, jede Menge zu essen und viel zuviel zu trinken — es wird sagenhaft gemütlich sein. Und noch etwas...«
Simon hob die Hände zum Zeichen der Kapitulation. »Ernest?«
»Ja?«
»Die Idee ist wunderbar.«
Später am Abend, als die letzte Konferenz des Tages zu Ende war und das Pfeifen der Putztruppe anstatt der klingelnden Telefone durch die Gänge hallte, rief Simon Nicole an. Ernest hatte bereits mit ihr gesprochen.
»Was meinst du dazu?« fragte Simon.
»Nun, im Dorf ist das Hotel bereits zum Gesprächsthema geworden. Die Sekretärin des notaire hat es dem Bäcker erzählt, der Bäcker der Frau des Bürgermeisters, alle wissen, daß es einen neuen propriétaire gibt. Es könnte nicht schaden, wenn du sie kennenlernst und ihnen mitteilst, was du vorhast. Ernest hat recht.«
»Und wen sollen wir einladen? Etwa alle? So etwas ist immer problematisch — man vergißt ein paar Leute, und schon sind sie verärgert.«
Nicole lachte. »Cheri, irgendjemand wird immer gegen dich sein, egal was du tust.«
»Die Leute aus
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