Hotel Pastis
dem Dorf?«
»Nein, das glaube ich nicht. Du bringst ja Arbeit ins Dorf, Arbeit und Geld. Nein, die anderen — diejenigen, die glauben, sie hätten die Provence entdeckt, weißt du. Die Pariser, die Briten... viele von ihnen wollen nicht, daß sich etwas ändert.« Simon dachte einen Augenblick nach. Wahrscheinlich hatte Nicole recht. Über die Pariser wußte er nicht allzu viel, aber er erinnerte sich noch an die Zeit, in der er als Kellner in Nizza gearbeitet hatte, und an das Gebaren der ausgewanderten Briten dort, die schon seit langem in der Gegend lebten und von Zeit zu Zeit ins Restaurant kamen. Sie waren reichlich herablassend, ja oft auch arrogant gewesen und hatten ständig über die Preise und die Touristen geschimpft, wobei sie geflissentlich außer acht ließen, daß sie selbst einmal Touristen gewesen waren. Und, daran konnte er sich ebenfalls noch erinnern, sie fielen immer wegen des niedrigen Trinkgeldes auf. Die französischen Kellner hatten sich gegenseitig darin überboten, sie möglichst nicht zu bedienen.
»Nun,« meinte er, »wir wollen sie trotzdem einladen. Versuchen können wir es ja. Kennst du diese Leute?«
»Natürlich. In einem so kleinen Dorf kennt jeder jeden. Ich werde dir mehr über sie erzählen, wenn du nächste Woche kommst.«
»Soll ich dir etwas mitbringen?«
»Noch ein paar alte Hemden. Ich ziehe deine Hemden zum Schlafen an.«
Simon mußte lächeln. Der Gedanke daran würde ihn über die langweiligen Tage hinwegretten, die seinen Terminkalender wie Hürden auf einem Hindernislauf zwischen London und der Provence durchzogen.
Nicole legte den Hörer auf und widmete sich wieder dem Stapel von Plänen und Kostenrechnungen, die der Architekt Blanc am Nachmittag vorbeigebracht hatte. Er hatte vorgeschlagen, zuerst den Swimmingpool fertigzustellen, bevor man mit den Arbeiten am Haus begann. Auf diese Weise könnte man zu Beginn des Frühjahrs bereits mit der Gartengestaltung anfangen. Das war vernünftig, obwohl Simon sicher enttäuscht sein würde, wenn das Gebäude zu Weihnachten so unfertig wie zuvor war. Aber Ernest hatte eine Menge Ideen, wie man es für das Fest herrichten könnte. Wie gut sich die beiden ergänzten, dachte sie. Man könnte leicht eifersüchtig werden. Ja, das war naheliegend, aber auch dumm. Sie brauchte nur an die anderen Frauen zu denken, die es in Simons Leben gegeben hatte. Nicole zuckte die Achseln und zündete sich eine Zigarette an. Es hatte keinen Sinn, Spekulationen über die Zukunft ihrer Beziehung anzustellen oder irgend etwas erzwingen zu wollen. Im Augenblick standen die Dinge gut, und das genügte. Außerdem mußte sie sich in der Zwischenzeit mit Fragen der Dorfdiplomatie herumschlagen. Nicole legte das Telefonbuch und einen Notizblock auf den Küchentisch und begann mit der Aufstellung einer Gästeliste.
Der Bürgermeister und die Bewohner, die ganzjährig hier lebten, Blanc und einige von den Handwerkern, ein oder zwei der ortsansässigen Immobilienmakler — all die, von denen man annehmen konnte, daß sie aus eigenstem Interesse ein Hotel begrüßten. Aber was war mit den zeitweiligen Bewohnern, von denen nicht wenige in den Weihnachtsferien nach Brassière kommen würden? Die meisten von ihnen waren nett und freundlich und besuchten sich meist nur gegenseitig auf einen Drink oder zu einem Abendessen in ihren Häusern. Ihre Kontakte zu den Dorfbewohnern beschränkten sich auf ein paar Minuten am Tag in der boulangerie oder beim Metzger. Sie würden wahrscheinlich ganz unterschiedlich reagieren. Nicole konnte sich noch an den Aufschrei einiger Pariser erinnern, als die gendarmerie das erste Mal verkauft wurde und umgebaut werden sollte. Sie würden sich jetzt genauso aufregen wie damals, dessen war sie sich sicher. Und wie damals würde auch diesmal der Bürgermeister freundlich nicken und darauf warten, daß sie wieder nach Hause fuhren und ihn in Ruhe ließen.
Das lauteste Protestgeschrei würden aber weder die Pariser noch irgendwelche anderen Franzosen erheben. Nach kurzem Zögern schrieb Nicole schließlich den letzten Namen auf die Liste: Ambrose Crouch, der längstgediente Engländer des Dorfes, der auf Honorarbasis für eine Londoner Zeitung arbeitete und wöchentlich eine Kolumne über die Provence ablieferte. Er war ein streitsüchtiger, selbsternannter Hüter des unverdorbenen Lebens (für die Bauern, wie man hinzufügen muß, weniger für ihn selbst), ein Snob und Nassauer. Was Nicole am meisten an ihm verabscheute, waren
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