Hotel Pastis
dankbaren Kunden, der mit Pflanzen und Blumen handelte. »Dann wollen wir mal sehen.«Einest klappte seinen Ganzjahresübersichtsplaner aus, den für dieses Jahr und den für das folgende. »Wir haben jetzt Anfang November. Zwei Monate Berlitz-Intensivkurse, dann ist Mitte Januar, und das ist, wie wir wissen, eine schreckliche Jahreszeit in London. Es wäre also keine unzumutbare Härte, dann zu verreisen. Mrs. Gibbons wäre davon übrigens sehr angetan, wie ich Ihnen versichern darf. Sie haßt den Winter. Wegen ihrer Arthritis.«
»Nun, wir wollen nicht, daß Mrs. Gibbons leidet. Wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie also im Januar umziehen.«
»Ich werde mit Nicole und diesem bezaubernden Mr. Blanc Kriegsrat halten und mich darum kümmern, daß alles über die Bühne geht.« Er schürzte die Lippen und blickte über den Rand seiner Lesebrille hinweg zu Simon hoch. »Daß alles ordentlich über die Bühne geht. Sie kennen mich ja, ich kann ein strenger Zuchtmeister sein, wenn es nötig ist.«
Simon lächelte, als er sich daran erinnerte, wie Ernest das letzte Mal sein Organisationstalent unter Beweis gestellt hatte, nämlich beim Umzug von dreihundert Angestellten in neue Büroräume. Er war mit jedem unbarmherzig umgesprungen, angefangen mit dem Architekten bis hin zu den unteren Angestellten. Der Büroleiter hatte wegen >unmenschlicher Arbeitszeiten<, wie er sich ausdrückte, gekündigt, und es war das einzige Mal gewesen, daß Simon einen Bauunternehmer am Rande eines Nervenzusammenbruchs erlebt hatte. Und der Umzug hatte termingerecht geklappt. Wenn Ernest an Ort und Stelle war, würde das Hotel im Sommer öffnen.
»Damit hätten wir einen von uns untergebracht«, sagte Simon. »Aber mich loszueisen, wird etwas schwieriger werden.« Ernest tätschelte ihm das Knie. »Machen Sie sich keine Sorgen, mein Guter. Ihnen wird schon etwas einfallen. Sie waren ja auch früher nie um gute Ideen verlegen.«
»Aber ich bin auch noch nie aus der Firma ausgestiegen.«
»Irgendwie habe ich das Gefühl, es wird einfacher gehen, als Sie denken. Sie wissen ja, mit was für einer Sorte Mensch Sie es bei den meisten zu tun haben. Ich denke insbesondere an unseren Freund mit seinen dünkelhaften Anzügen.« Simon nickte. Jordan würde hocherfreut sein. »Sie werden alle eine Stufe weiter nach oben steigen. Das ist es doch nur, was sie wollen. Ein paar Krokodilstränen, und dann fangen sie schon an, sich um Ihre Autos zu streiten. Sie werden noch an meine Worte denken.«
Ernest rümpfte die Nase und wandte sich seinem Filofax zu, während Simon den restlichen Flug damit verbrachte, sich eine Strategie für den Ausstieg aus der Agentur zu überlegen. Er gab sich keinen Illusionen hin; wenn er einmal draußen war, würde jeder Penny, der ihm zustand, Anlaß zu Ärger und Streit geben. Er würde ein unproduktiver Kostenfaktor sein, und ihm waren Dutzende von Geschichten über die juristischen Tricks zu Ohren gekommen, mit denen Agenturen operierten, um die Zahlungen an ihre ausgestiegenen Geschäftsführer möglichst niedrig zu halten. Zudem beging er den Kardinalfehler der Werbebranche, indem er freiwillig ausschied; so etwas durfte man höchstens sagen, aber niemals wirklich tun.
Ernests Optimismus in Ehren, aber so einfach würde es nicht sein. Und im Interesse des Geschäfts durften der Öffentlichkeit keine Unstimmigkeiten zu Ohren kommen, sonst würden die Kunden nervös werden. Die ganze Sache mußte als ein positiver Schritt in der Entwicklungsplanung eines der größten Werbekonzerne Europas verkauft werden. Na, prächtig. Was in seinem Kopf vorging, klang schon wie eine Presseerklärung. Schließlich begann Simon, eine Liste mit all den Leuten zusammenzustellen, die er zum Essen einladen mußte. Es war an der Zeit, die verdammte Maschine anzuwerfen.
13
H ier Simon Shaw. Würden Sie mich bitte mit Mr. Ziegler verbinden?«
Simon blickte aus dem Bürofenster. Ein kurzer grauer Nachmittag ging zu Ende, der Himmel verdunkelte sich. In London zeigten sich bereits die ersten Anzeichen auf Weihnachten, obwohl es bis dahin noch ein ganzer Monat war. An der Ecke des Harrodsgebäudes, die er durch die Regenspuren auf der Fensterscheibe erkennen konnte, hingen Leuchtgirlanden. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Kreativabteilung ihre jährlichen Marathongelage mit vierstündigen Mittagessen und Büropartys begann. Danach würde die Agentur allmählich in Winterschlaf fallen, der in der Regel bis
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