Hotel Transylvania
ist eine Nachricht, Herr. Ein Bote hat sie gebracht...«
»Ich lese sie im gelben Salon«, sagte er gereizt, als ihm die Wette über sechstausend Louis einfiel, die er verloren hatte. Seine Miene nahm einen Schmollausdruck an, als er sich an die Begebenheit erinnerte. »Die Gans hätte gewinnen sollen«, brummte er, als er an das Rennen zwischen einem Hasen und einer Gans dachte. »Die Gans hat schließlich Flügel.«
»Mein Lieber ...?«, sagte Claudia ängstlich.
»Ich bitte um Verzeihung«, unterbrach der Lakai kühn, »aber der Brief ist nicht für Euch, Herr, er ist für le Marquis de Montalia.«
Robert wandte sich erschrocken um. Er empfand eine seltsame Furcht. »Für mich?« Kurz kam ihm der Gedanke, dass Madelaine seine Unterstützung im Falle Chenu-Tourelle erheischte, aber er wies den Gedanken von sich. »Ich danke, dass du sie mir gebracht hast.« Er streckte die Hand nach der Nachricht aus und wartete, bis der Lakai die versiegelten Blätter in seine Finger legte. Er wollte sie schon neben den Teller legen, denn es galt als schrecklich unhöflich, solche Botschaften bei Tisch zu lesen.
»Nein, Robert, lies sie bitte.« Claudia sah den Lakaien an. »Wer überbrachte die Nachricht?«
»Ein Diener in Dunkelblau und Rot«, sagte der Lakai. »Ich bin mit der Livree nicht vertraut.«
Robert de Montalia war sie offenbar allerdings vertraut. Sein Gesicht war kalkweiß geworden, und plötzlich zitterten ihm die Hände. Sogar Gervaise schüttelte trotzig den Kopf, da er wusste, dass seine übermütige Einladung zu Madelaines Fete des Vorabends ihm große Scherereien bereitet hatte. »Klingt nach Saint Sebastiens Mann«, sagte er, um irgendwelchen Beschuldigungen vorzubeugen.
»Ja«, sagte Robert leise. »Wenn ich darf?«, fragte er seine Schwester, als er nach den versiegelten Blättern griff. Ein Blick auf das eingepresste Cinq-Foil bestätigte Gervaises Worte. Es war Saint Sebastien. Er brach das Siegel, breitete die beiden gequerten Blätter aus und las langsam, als übersetze er eine schwierige Fremdsprache.
»Oh, Heilige Mutter«, sagte Claudia wie zu sich selbst, als sie sah, wie die Miene ihres Bruders zu einer leidvollen Maske wurde. »Ist es Madelaine?«
»Ja.« Robert zerknüllte die beiden Blätter und warf sie mit einem plötzlichen Fluch durch den Raum. Er erhob sich aus seinem Stuhl, und durch die plötzliche Bewegung stürzte sein Weinglas um, und der Burgunder floss über das helle Damasttischtuch.
»Saint Sebastien?«, sagte Gervaise verdutzt. »Sie fuhr doch mit Chenu-Tourelle. Was hat Saint Sebastien ihr denn zu sagen?«
Robert hatte die Zähne zusammengebissen. »Er ist mein Feind«. sagte er. »Er hat Madelaine entführt. Er sagt ... ich wage nicht zu wiederholen, was er gesagt hat.«
»Da liegt ein Irrtum vor«, sagte Gervaise, während er sich zum ersten Mal fragte, ob das auch zutreffe. Hastig nahm er einen Schluck Wein, wischte sich mit der Hand über die Lippen und sagte: »Nun hört doch, de Montalia, ich kenne Saint Sebastien. Er hat gesagt, dass er Eure Freundschaft von vor zwanzig Jahren wieder erneuern will. Vermutlich hat er Chenu-Tourelle gebeten, Euer Mädchen in sein Haus zu bringen, und möchte jetzt, dass Ihr Euch anschließt. Er ist etwas einschüchternd, aber davon dürft Ihr Euch nicht verunsichern lassen.«
»Etwas einschüchternd?« Robert hatte die Stimme erhoben, und er hielt seine geballten Fäuste wie Holzhämmer an den Seiten. »Er ist gefährlich, er ist böse! Er sagt mir in diesem ... diesem bösartigen Schriftstück, dass er mein Kind für ein Opfer verwenden will!« Er schwieg abrupt, als er sein eigenes Grauen im Blick seiner Schwester reflektiert sah.
»Opfer? Welch ein Unsinn soll denn das sein?«
»Das ist kein Unsinn«, sagte Robert langsam. »Saint Sebastien gedenkt Madelaine in Leib und Blut dem Satan zum Opfer zu bringen.« Er bedeckte die Augen mit den Händen. »Ich muss ihn aufhalten.«
Gervaise versuchte es abzutun, was ihm auch fast gelang. »Dem Satan zum Opfer bringen? Das geschah doch zuletzt, als Montespan die Mätresse des Sonnenkönigs war. Dem hat die Polizei ein Ende gemacht, da könnt Ihr sicher sein.«
»Gervaise, nicht«, flehte Claudia.
»Nein, damals ging es nicht zu Ende«, sagte Robert, als ob ihm die Worte aus dem Leib gezerrt wurden. »Es wurde unsichtbar, es wurde geheim, aber es ging nicht zu Ende. Und Saint Sebastien führt nunmehr den Zirkel an. Ich weiß es. Ich weiß es«, sagte Robert lauter, bevor Gervaise
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