Hotel Transylvania
etwas einwerfen konnte. »Ich weiß es, weil ich einst zu diesem Zirkel gehörte. Ich weiß, dass er tun wird, was er Madelaine anzutun versprochen hat, denn ich gab ihm dieses Recht, bevor sie geboren wurde.« Seine Stimme brach, und Tränen strömten über die tiefen Falten in seinem Gesicht. »Gott vergib mir, ich wusste es nicht.«
Claudia hatte sich erhoben und ihren Bruder in die Arme genommen. Bestürzt blickte sie auf die peinlich berührten Diener, beherrschte sich jedoch hinreichend, um einige knappe Anweisungen zu geben. »Paulin, ich möchte etwas Brandy für le Marquis. Hole ihn sofort. Soussère, gib im Stall Bescheid, dass die Rennkutsche angeschirrt werden soll. Aigulle, trage das Essen ab und bringe die Sachen in die Küche. Sag meinem Chefkoch, dass wir tragische Nachrichten erhalten haben und daher seine Kunstfertigkeit nicht angemessen würdigen können.« Sie strich Robert das Haar aus dem Gesicht. »Wir werden sie finden«, sagte sie mit falscher Zuversicht. »Wir werden sie finden und in Sicherheit bringen. Ihr könnt gleich losfahren. Gervaise wird dich begleiten ...«
»Aber Lambeaugârenne ...«, widersprach Gervaise.
»Ich bin sicher, dass Everaud Lambeaugârenne eine Nacht damit warten kann, Euch das Fell über die Ohren zu ziehen, mein Teurer«, sagte sie verbittert. »Schickt ihm Eure bedauernde Absage.«
»Aber das ist doch alles nur ein Irrtum!«, beharrte Gervaise.
»Dann wird, je eher Ihr Robert zu Saint Sebastien bringt, sich alles auflösen, und dann könnt Ihr Eure Verabredung mit Lambeaugârenne einhalten.« Sie sah zu Robert auf. »Ihr werdet sie finden, liebster Bruder. Ganz gewiss.«
»Oh, beim Heiligen Blute Christi«, sagte er, als sein Entsetzen sich vertiefte.
»Schickt um Hilfe, Robert, setzt sofort eine Bittschrift an Seine Majestät auf. Ich sorge dafür, dass sie augenblicklich überbracht wird. Ich werde es ihm erklären. Sobald er es begreift, wird König Louis Saint Sebastiens Verhaftung anordnen«, riet Claudia ihm. Sie wollte seine Gedanken von den finsteren Visionen lenken, die der Brief in ihm heraufbeschworen hatte.
Er sah herab und murmelte. »Ich habe Euer schönes Tischtuch ruiniert. Das wollte ich nicht.«
»Es ist nichts«, sagte sie sanft. »Kommt, Robert, Ihr müsst Euren Mantel holen, wenn Ihr in einer solchen Nacht ausgehen wollt. Gervaise wird mit Euch gehen. Alles wird gut, da bin ich ganz sicher.« Bei diesen Worten löste sie sich von Roberts Arm und sagte zu ihrem Gatten: »Ihr werdet ebenfalls einen Mantel brauchen, Gervaise. Ein Sturm zieht auf.«
»Oh, nun gut«, murrte Gervaise. »Binnen einer Viertelstunde stehe ich Euch zur Verfügung. Ich muss Lambeaugârenne eine Nachricht schreiben. Euer Diener«, sagte er knapp, als er einen äußerst flüchtigen Kratzfuß machte.
Als er den Raum verlassen hatte, richtete Claudia ihre volle Aufmerksamkeit
auf Robert. »Wo ist sie?«
»Im Hotel Saint Sebastien, denke ich mir. Von dort kam der Brief.« Er stockte. »Man sagte mir, dass man mich töten würde, wenn ich versuchen wollte, zu ihr zu kommen, und dass alle, die mir helfen wollen, ebenfalls getötet werden würden. Ich würde keinen Einwand erheben, wenn Gervaise mich nicht begleiten möchte.«
»Und Euch dann allein zu diesen schrecklichen Menschen gehen lassen würde?«, fragte Claudia ungläubig. »Gervaise kennt einige dieser Männer. Sie werden ihm nichts antun, Robert. Sie wissen, dass er ein Spieler ist und häufig zu viel trinkt. Er stellt keine Gefahr für sie dar. Ihr vielleicht schon, aber man kennt Euch in Paris nicht, und falls Ihr verschwindet, würden nur wenige Euch vermissen. Bei Gervaise ist es anders. Wenn er keine fünf von sieben Tagen im Hotel Transylvania oder im Hotel de Ville verbringt, würde halb Paris davon erfahren.« Ihre Worte kamen in eintöniger Verbitterung, die Robert mehr als eine Schimpftirade über die Art ihres Zusammenlebens mit Gervaise d'Argenlac verriet.
»Seid Ihr sehr unglücklich?«, fragte er reuevoll.
»Nein, natürlich nicht. Vielleicht ein wenig«, räumte sie ein und fügte hinzu: »Ich wage zu behaupten, dass es wohl anders wäre, wenn wir Kinder hätten. Ein Mann ohne Erben hat nicht das Gefühl, etwas in seine Zukunft investiert zu haben.« Sie lenkte ihre Gedanken von dieser fruchtlosen Bahn. »Er wird Euch ein guter Begleiter sein, Robert. Er kann mit Saint Sebastien umgehen. Dazu bedarf es vielleicht Geld –«
»Das bezweifle ich«, warf Robert ein.
»Oder andere
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