Hotel Transylvania
unbeschädigt war, und dass ein leichter Weihrauchduft die stickige Luft durchzog. Sie ging durch den Mittelgang zum Kruzifix, bekreuzigte sich automatisch und murmelte ein kurzes, zusammenhangloses Dankesgebet.
Als sie sich wieder umdrehte, sah sie ihn.
»Madelaine«, sagte er mit tiefer Stimme und streckte ihr die kleinen Hände entgegen. Er trug eine Art Militäruniform mit weiten Hosen und einem mit dichten Schnurbesatz versehenen Rock in Flaschengrün auf Schwarz. Er trug hohe Reiterstiefel und eine Pelzmütze, und das Lächeln in seinen dunklen Augen erfüllte ihr Herz.
»Saint-Germain«, rief sie aus, stürzte sich in seine Arme und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals.
»Ruhig, ruhig«, flüsterte er, als er sie fest an sich drückte. »Du musst dich nicht fürchten, Madelaine, mein Herz. Hier bist du sicher. Saint Sebastien betritt keinen geheiligten Boden.«
Die Worte ließen sie zusammenzucken, und sie stieß hervor: »Wenn Ihr hier seid, kann es kein geheiligter Boden sein. Die Schwestern haben gesagt...«
Saint-Germain lachte bitter. »Die Schwestern sind nicht allwissend. Alle meiner Art können über geheiligten Boden schreiten. Die meisten von uns sind darin begraben.« Er spürte, wie sie in seiner Umarmung erstarrte. »Also, nun habe ich es gesagt, und du hast Angst bekommen.« Er entzog sich ihrer Umarmung und ging zum Altar. »Zu viel Licht ist gefährlich; die Fenster sind zwar schmal und hoch, aber dennoch könnten wir entdeckt werden.« Er zog Feuerstein und Stahl aus dem Ärmel. »Im Chor sind einige Öllämpchen«, erklärte er, als er den Funken schlug.
Einen Moment später durchdrang ein schwaches warmes Leuchten den Chor, und Madelaine konnte ihn nun deutlicher sehen. Sie bemerkte, dass sein Gesicht seit ihrer letzten Begegnung schmaler geworden war, und seine Bewegungen waren die eines Mannes, der einen langen Lauf hinter sich hat.
Hinter dem Altar wurden nun einige große Wandgemälde im antiken Stil sichtbar. Sie zeigten einen strengen Christus mit ausgebreiteten Händen, welche die Wundmale zeigten, umgeben von Scharen kleiner Heiliger und Märtyrer in den Hofgewändern des elften Jahrhunderts. Auf einer Seite war ein Abbild, das vermutlich Sankt Jeremias darstellte; er hielt einen Federkiel in der Hand, und die andere hielt ein in Leder gebundenes Buch aufgeschlagen.
»Das wusste ich nicht«, flüsterte Madelaine und trat näher zum Gemälde. »Es ist wunderschön, nicht wahr?«
Saint-Germain ließ sie nicht aus den Augen.
»Wahrlich.«
Sie drehte sich zu ihm. »Wieso seid Ihr hier?«
»Ich sagte, dass ich dich beschützen würde.« Er trat zu ihr und berührte sanft die Kratzer auf ihrem Gesicht und ihren Armen. »Du hast Schutz so nötig.«
Sie errötete. »Im Wald kam ich gut genug allein zurecht. Ich floh und kam hierher.« Sie sah ihn wieder an. »Der Wolf ...?«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich konnte dich nicht Saint Sebastien
überlassen. Ich weiß, dass du tapfer bist, ich weiß, dass du einen klaren Kopf behältst, aber ich fürchtete um deine Sicherheit.«
Sie ergriff seine Hände und drückte sie. »Ich danke Euch, Saint-Germain. Ich mag nicht daran denken, was geschehen wäre, wenn ...«
»Und du weißt, was ich bin, und fühlst dich doch sicher bei mir?« Er sah in ihr Gesicht und spürte seine Entschlossenheit nachgeben. Er löste sich von ihr.
Sie stieß einen leisen flehentlichen Schrei aus. »Saint-Germain, Saint-Germain, tut das nicht. Nein. Nein. Hört mich an. Bitte.« Der Klang ihrer Stimme ließ ihn den Blick wieder zu ihr erheben. »Wofür habt Ihr mich denn gerettet, wenn Ihr mich jetzt im Stich lasst?«
Als er antwortete, schwang leise Ironie in seiner Stimme. »Du weißt, was ich will, wird dich nicht retten.«
Wieder flehte sie. »Aber so ist es nicht, Saint-Germain. Ihr beschreitet geheiligten Boden. Wenn Ihr das tut, seid Ihr nicht verdammt.«
»Gewiss nicht auf die übliche Weise«, stimmte er ihr ausdruckslos zu.
Im schwachen Licht betrachtete sie sein Antlitz und sah die Schatten der Qual darin. Behutsam trat sie näher, und behutsam fuhren ihre Finger über seinen Jochbogen und die leicht gekräuselten Lippen. »Die Kommunion ist die Annahme des Leibes und Blutes Christi, nicht wahr?«
»Das weißt du besser als ich«, sagte er und wollte sich vor der Versuchung ihres warmen Fleisches zurückziehen.
»Wenn Blut ein Sakrament ist, dann ist das, was wir getan haben, ein Sakrament.« Jetzt war sie ganz
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