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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
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Eindruck?«
    »Ihr Bruder ist zweifellos ein großes Talent. Aber er ist der Zeit voraus, selbst für meine Galerie. Ich muss mir das in Ruhe überlegen. Vor einer endgültigen Entscheidung werde ich mir noch die übrigen Sachen ansehen.«
    Nach dem Besuch sinkt Theo in einen Sessel, plötzlich von allen Kräften verlassen. Nur ein Schatten seiner selbst, denkt Johanna erschrocken.
    »Die Aufregungen hier in Paris sind zu viel für dich, Theo. Wir hätten länger in Holland bleiben sollen.«
    »Was soll ich in Holland? Ich muss mich um die Ausstellung kümmern, in der Galerie gibt es eine Menge zu tun, mein Gott, was alles an mir hängt! Durand-Ruel wird zusagen, sobald er die Bilder aus Auvers gesehen hat.«
    Auf dem Weg zur Galerie atmet Theo erleichtert auf. Als flüchte er vor seinem Bruder, dessen Gegenwart in der Wohnung unerbittlich auf ihm lastet. Aber in der Galerie beengt ihn die langweilige Akademiekunst umso mehr. Aus Vincents Bildern strömt Leben. Das muss man doch sehen! Ein Durand-Ruel muss doch die Glut dieser überlebendigen Farben spüren!
    Einige Tage später begibt sich Theo zum Laden von Père Tanguy. Die winzige Hoffnung, an die er sich klammert, jedoch Durand-Ruel hat sich bisher noch nicht zu einem Besuch angesagt.
    »Ich befürchte, damit hast du seine Antwort«, bemerkt Johanna.
    »Was verstehst du von meinem Geschäft, halte dich gefälligst aus diesen Angelegenheiten heraus!«
    Theo hat sich nie mit Johanna gestritten, aber neuerdings fährt er sie ohne jeden Grund unbeherrscht an, verlässt das Zimmer bei der kleinsten Unruhe des Kindes oder verfällt in Phasen abweisenden Schweigens. Er vernachlässigt die Arbeit in der Galerie und richtet alle Energie auf Vincents Ausstellung. Es gibt für ihn nur noch dieses eine Ziel.
    Unter fadenscheinigen Gründen hält er sich in der Nähe von Durand-Ruels Galerie auf, in der Hoffnung, ihm zufällig auf der Straße zu begegnen. Tatsächlich trifft er auf Durand-Ruels Sohn.
    »Hat Ihr Vater mit Ihnen über die Ausstellung von Vincent gesprochen? Aurier arbeitet bereits an einem Essay für den Katalog, vielleicht können Sie ihm das ausrichten.«
    »Unsere nächsten Termine sind fest verplant. Sie wissen doch selbst, wie das läuft, mindestens eine Saison im Voraus. Mein Vater erwägt einen Raum gegen Ende des Winters für Ihren Bruder, jedoch keinesfalls die ganze Galerie.«
    »Ein Raum, was lässt sich da schon zeigen! Ihr Vater muss sich unbedingt noch Vincents späte Bilder von Auvers ansehen, er wird seine Meinung ändern, verlassen Sie sich drauf!«
    »Jeder andere wäre über einen Raum in unserer Galerie glücklich. Und wie gesagt, versprechen kann ich Ihnen das sowieso nicht!«
    Letztlich eine Absage. Theo hatte mit Durand-Ruel eine umfassende Gesamtausstellung besprochen. Unmöglich, dieses Werk, das die gängige Malerei in allem überholt, in einem Raum darzustellen.
    Und selbst dann, sechs Monate zu warten und vielleicht noch länger, bis Durand-Ruel sich bequemt. Theo weiß, dass er einen anderen Weg finden muss. Er weiß auch, dass es ein Rennen gegen die Zeit geworden ist. Und es geht um seine Zeit, die sich mehr und mehr durch Halluzinationen und Angstträume verdüstert.
    Als er erfährt, dass eine größere Wohnung in ihrem Gebäude in der Rue Pigalle frei wird, greift Theo sofort zu. Der Umzug gestaltet sich zu einem weiteren Alptraum. Seine Nerven sind zum Zerreißen gespannt.
    »Theo, ich verstehe ja, was dir Vincents Ausstellung bedeutet, aber warum alles auf einmal, kann das nicht ein paar Monate warten? Sei doch vernünftig, in deinem Zustand!«
    Johannas gutgemeinte Ermahnungen versetzen Theo nur in zusätzliche Erregung.
    »Erkennt denn niemand die Bedeutung des Werks, das Vincent hinterlassen hat?«
    »Aber du musst doch nicht alles selbst machen. Lass dir wenigstens von Émile Bernard helfen!«
    Theo blickt erstaunt auf. Warum er nicht selbst auf diesen Gedanken gekommen ist? Émile Bernard, Vincents treuer Malerfreund, mit jedem Detail seiner Arbeit vertraut. Der versteht, worum es geht, und insbesondere die Eile, die geboten ist. Kunst ist immer auch eine Frage der Zeit. Vincents Zeit ist gekommen. Deswegen auch Theos Ungeduld.
    Émile Bernard sagt spontan seine Hilfe zu, seinem Freund und Mentor zuliebe. In tagelanger mühsamer Arbeit hängt er in den neuen Wohnräumen die Bilder auf und hängt sie so lange um, bis sie thematisch, farbig und zeitlich im richtigen Zusammenhang zueinander stehen. Anfangs unterstützt ihn

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