Hotel van Gogh
Wohnung war, vergessen hatte, den Anrufbeantworter abzuhören.
Peter blickt sie erwartungsvoll an.
»Und, was sagt die Polizei?«
»Der Einschuss erfolgte nicht unmittelbar von vorne, sondern etwas seitlich, er war wohl ein schlechter Schütze. Deswegen war er wohl auch nicht gleicht tot.«
»Zumindest sollte man erwarten können, dass sich einer richtig erschießt!«
»In seiner Wohnung nimmt niemand das Telefon ab. Ich warte noch bis morgen, dann gebe ich meine Zustimmung zur Einäscherung. Damit wäre der Fall erledigt.«
»Und die Bestattung, Wohnungsauflösung, Behördengänge in Frankreich und in Deutschland, wer außer dir soll sich darum kümmern? Also ich rate dir, ruhe dich gut aus!«
Ihr Handy klingelt, aus reiner Gewohnheit und mit ihren Gedanken noch beim Gespräch mit dem Gendarm in Auvers hatte Sabine entgegen ihrer Abmachung das Telefon an den Strand mitgenommen. Ihre Nachbarn im nächsten Strandkorb drehen sich missmutig zu ihnen.
»Tut mir leid!«, sagt sie entschuldigend zu Peter.
»Doch nicht so einfach, von allem Abstand zu nehmen.«
»Frau Bucher, hier nochmals Zapf vom Zwei-Falken-Verlag. Entschuldigen Sie die Störung, aber haben Sie einen Moment Zeit für mich?«
»Ich bin im Urlaub. Ich sitze am Strand.«
»Nur einen Augenblick. Also, wir haben die neue Situation hier im Haus durchgesprochen. Das mit dem Selbstmord im Sterbezimmer von van Gogh verändert die Sachlage, das ist ja schon interessant. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Arthur Hellers Selbstmord bleibt natürlich äußerst tragisch, aber für einen Autor, der jahrelang um den Durchbruch gerungen hat, ist es, nun ja, eigentlich ein Glücksfall. Wir wollen, kurz gesagt, das Buch als Schnellschuss zur Frankfurter Messe im Oktober herausbringen.«
»So war es sicherlich auch sein Wunsch.«
»Allerdings stellen wir uns noch einige Korrekturen am Text vor, nichts Dramatisches, nichts, das seine Absichten verfälschen würde. Die Erben oder der Nachlassverwalter müssen das absegnen. Bis geklärt ist, wer das ist, könnten Sie da nicht diese Rolle übernehmen?«
»Herr Zapf, ich bin Rechtsanwältin, ohne jegliche künstlerische Veranlagung.«
»Das trifft sich gut, denn außerdem bleibt noch verschiedenes Vertragliches zu regeln, verstehen Sie?«
»Ich verstehe nichts von diesem Geschäft. Sie müssen einen anderen Weg finden.«
»Ich verspreche Ihnen, dass es nur wenig Zeit beanspruchen wird. Wir stehen unter Zeitdruck, und wie es aussieht, kommen nur Sie in Betracht. Wir haben für morgen eine Besprechung angesetzt, um die vertraglichen Aspekte mit Ihnen durchzugehen und außerdem unsere Änderungsvorschläge zu besprechen. Die Sache drängt wirklich. Zur Leipziger Buchmesse im nächsten Frühjahr käme die Veröffentlichung zu spät, da wäre der Bezug zu van Gogh in der Presse aufgebraucht. Steht in Frankreich denn schon etwas in der Zeitung?«
»Herr Zapf, ich bitte Sie, wie stellen Sie sich das vor?«
»Wir haben uns bereits um alles gekümmert. Morgen um acht haben wir einen Flug für Sie nach Frankfurt gebucht, direkt natürlich, Rückflug nach Sylt am Nachmittag. Also einen knappen Tag nur, denken Sie an den schriftstellerischen Nachruhm Ihres Onkels, an dem Sie dann natürlich auch teilhaben werden. Also wir erwarten Sie hier morgen gegen zehn.«
Sie sitzt fassungslos im Sand. Wie versteinert starrt sie auf das Telefon in ihrer Hand. Peter blickt sie fragend an.
»Der spinnt doch, mich herumzukommandieren wie einen seiner kleinen Bittsteller. Was glauben die denn, mit wem sie es zu tun haben!«
»Sieht tatsächlich so aus, als ließe sich der Tod deines Onkels nicht so einfach abhaken.«
»Ich soll mit ihnen die Verträge ausarbeiten und das Manuskript gegenlesen, wenn ich ihn richtig verstanden habe.«
»Was heißt denn das Buch?«
» Sarahs Paris .«
»Sein zweites Leben in Paris und eine Abrechnung mit seiner Vergangenheit, nehme ich an.«
»Zapf erwähnte eine deutsch-jüdische Liebesgeschichte Mitte der sechziger Jahre.«
»Lass es auf dich zukommen, ein wenig Literatur bringt Abwechslung in dein Leben.«
»Als ob ich nicht Abwechslung genug hätte!«
Auch Peters überlegenes Lächeln ärgert sie. Warum steht denn niemand auf meiner Seite, denkt sie verzweifelt.
»Am besten gehen wir aufs Zimmer, in der Sonne wird es mir langsam zu heiß.« Er legt seinen Arm um sie und drückt sie an sich. »Was hältst du von Sex, wer weiß, wie lange du mir nach Frankfurt enteilst.«
»Vielleicht
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