Hotel
den kleineren Schreibtisch. Einer Schublade entnahm er einen großen gelben Umschlag, aus dem er einen Hefter zog. Er reichte ihn Peter. »Sie fragen, was für Änderungen, ‘ier steht alles drin.«
Peter McDermott schlug gespannt den Hefter auf. Er war viele Seiten stark, und jedes Blatt war mit zierlichen präzisen Buchstaben bedeckt. Mehrere größere gefaltete Bogen waren mit der Hand gezeichnete, sorgsam beschriftete Tabellen. Peter erkannte, daß es sich um einen Hauptverpflegungsplan für das gesamte Hotel handelte. Auf den nachfolgenden Seiten fand er Kostenvoranschläge, Speisekarten, einen Plan zur Qualitätskontrolle und einen Entwurf für die Reorganisierung des Personals. Selbst beim flüchtigen Durchblättern war er vom Konzept und vom Verständnis des Verfassers fürs Detail tief beeindruckt.
Er blickte auf. Lémieux sah ihn erwartungsvoll an. »Ich würde mir das gern genauer ansehen, wenn ich darf.«
»Nehmen Sie es mit. Es eilt nicht.« Der junge Souschef lächelte verkniffen. »Man ‘at mir gesagt, keines meiner Pferde wird das Rennen machen.«
»Was mich dabei am meisten überrascht, ist, daß Sie in so kurzer Zeit einen so tiefen Einblick gewonnen haben.«
André Lémieux zuckte mit den Schultern. »Man braucht nicht lange, um zu erkennen, was ‘ier nicht stimmt.«
»Vielleicht könnten wir die gleiche Methode beim Tiefbrater anwenden.«
In den Augen des anderen schimmerte es humorvoll auf. »Touché. Es ist wahr – ich ‘abe soviel gesehen, aber nicht das ‘eiße Fett unter meiner Nase.«
»Nein«, wandte Peter ein. »Nach dem, was Sie mir erzählten, haben Sie das schlechte Fett entdeckt, nur wurde es, entgegen Ihrem Befehl, nicht ausgewechselt.«
»Aber ich ‘ätte den Grund ‘erausfinden müssen, warum es schlecht wurde. Es gibt immer einen Grund. Wenn wir ihn nicht bald finden, werden wir bald noch größeren Ärger ‘aben.«
»Wieso?«
»‘eute ‘aben wir den Brater glücklicherweise nur wenig benutzt. Morgen, Monsieur, müssen wir sechshundert Portionen für den Lunch der Kongreßteilnehmer braten.«
Peter stieß einen leisen Pfiff aus.
»Ja richtig.« Sie hatten das Büro verlassen und standen nun vor dem Tiefbrater, der gerade von den letzten Überresten des ranzigen Fetts gesäubert wurde.
»Morgen ist das Fett natürlich frisch. Wann haben Sie es zum letztenmal erneuert?«
»Gestern.«
»Erst?«
André Lémieux nickte. »M. Hébrand macht keinen Scherz, als er sich über die ‘ohen Kosten beklagte. Die Sache ist ein mystère für uns.«
»Ich versuche gerade, mir ein paar Tatsachen aus der Nahrungsmittelchemie ins Gedächtnis zurückzurufen«, sagte Peter langsam. »Der Rauchpunkt von frischem gutem Fett liegt bei –«
»Zweihundert Grad. Es sollte niemals stärker erhitzt werden, oder es bricht.«
»Und wenn das Fett an Qualität verliert, sinkt sein Rauchpunkt allmählich.«
»Ja, sehr langsam – wenn sonst alles in Ordnung ist.«
»Hier braten Sie bei …?«
»‘undertachtzig Grad; die beste Temperatur – für Küchen und für ‘ausfrauen.«
»Solange also der Rauchpunkt bei hundertachtzig Grad bleibt, erfüllt das Fett seinen Zweck. Darunter aber nicht mehr.«
»Das ist wahr, Monsieur. Und das Fett gibt den Speisen einen schlechten Beigeschmack. Sie schmecken ranzig wie ‘eute.«
Ehemals auswendig gelernte, inzwischen eingerostete Fakten regten sich in Peters Gedächtnis. In Cornell hatte es für die Studenten der Hotelfachschule einen Kursus für Nahrungsmittelchemie gegeben. Er erinnerte sich dunkel an eine Vorlesung … an einem trüben Nachmittag in Statler Hall mit weiß bereiften Fensterscheiben. Er war aus der schneidenden winterlichen Kälte gekommen. Drinnen war es warm, und ein Professor las über »Fette und Katalysatoren.«
»Es gibt gewisse Substanzen«, sagte Peter versonnen, »die, wenn sie mit Fett in Berührung kommen, als Katalysatoren wirken und es sehr schnell zersetzen.«
»Ja, Monsieur.« André Lémieux zählte sie an den Fingern ab. »Dazu gehören Feuchtigkeit, Salz, Messing- oder Kupferverbindungen in einem Brater, zu viel ‘itze, das Öl von der Olive. All das ‘abe ich nachgeprüft, und es ist nicht der Grund.«
Plötzlich fiel Peter etwas ein. Es verband sich mit Beobachtungen, die er eben, sich selbst nicht bewußt, bei der Säuberung des Tiefbraters gemacht hatte.
»Aus welchem Metall bestehen die Bratroste?«
»Aus Chrom«, war die verdutzte Antwort. Beide wußten, daß Chrom dem Fett nicht
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