Hotel
war.
»Danke, Mr. Edwards. Jetzt würde ich gern mal Ihr Inventarsystem besehen – Einkauf, Kontrollkartei, derzeitige Lagerbestände, Ihre letzte Lieferungskontrolle und alles übrige. Hören Sie, der Kaffee war wirklich gut. Könnten wir noch mehr davon haben?«
Der Rechnungsprüfer sagte: »Ich bestelle noch welchen.« Trübselig sah er auf seiner Uhr, daß es bereits kurz vor Mitternacht war. Allem Anschein nach würden sie noch stundenlang hier sitzen.
DONNERSTAG
1
Wenn er für die Arbeit eines neuen Tages frisch sein wollte, dachte Peter McDermott, dann war es wohl besser, nach Haus zu gehen und noch ein bißchen zu schlafen.
Es war eine halbe Stunde nach Mitternacht. Er hatte einen zweistündigen Fußmarsch hinter sich und fühlte sich erquickt und angenehm müde.
Ein tüchtiges Stück zu laufen war von jeher sein Allheilmittel, namentlich, wenn er Sorgen hatte oder ein ungelöstes Problem ihm zu schaffen machte.
Nachdem er sich von Marsha verabschiedet hatte, war er direkt in sein Appartement in der Innenstadt zurückgekehrt. Aber die engen Räume bedrückten ihn, und er war zu ruhelos, um zu schlafen; deshalb hatte er die Wohnung wieder verlassen und war zum Fluß hinuntergegangen. Er war die Poydras und Julia Street entlanggeschlendert, wo am Pier Schiffe vertäut lagen, erleuchtet und schweigend die einen, betriebsam und abfahrbereit die anderen. Dann hatte er an der Canal Street die Fähre genommen, war am jenseitigen Ufer des Mississippi ausgestiegen und an den einsamen Anlegeplätzen vorbeigestreift und hatte über den dunklen Strom hinweg die Lichter der Stadt betrachtet. Schließlich war er umgekehrt, durch das Vieux Carré gebummelt und saß nun, einen café au lait vor sich, auf dem alten Französischen Markt.
Zum erstenmal seit mehreren Stunden hatte er vor einigen Minuten wieder an die schwebenden Hotelaffären gedacht und im St. Gregory angerufen. Auf seine Frage, ob es beim Kongreß amerikanischer Zahnärzte etwas Neues gebe, hatte ihm der stellvertretende Nachtmanager erklärt, ja, der Oberkellner des Kongreßsaales habe kurz vor Mitternacht eine Nachricht hinterlassen. Danach habe der Vorstand des Zahnärzteverbands trotz sechsstündiger Beratung keinen endgültigen Beschluß gefaßt. Doch sei für halb zehn kommenden Vormittag im Dauphine-Salon eine Sondersitzung sämtlicher Tagungsteilnehmer einberufen worden. Man rechne mit ungefähr dreihundert Personen. Die Sitzung fände unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt; zu diesem Zweck treffe man umfangreiche Sicherungsmaßnahmen, und man habe auch das Hotel gebeten, dafür zu sorgen, daß die Diskussion nicht gestört würde.
Peter gab Anweisung, alle Wünsche des Vorstandes, wenn irgend möglich, zu erfüllen, und schlug sich dann die Affäre bis zum nächsten Morgen aus dem Kopf.
Abgesehen von dieser kurzen Unterredung, hatte er sich in Gedanken fast nur mit Marsha und den Geschehnissen des Abends beschäftigt. Fragen summten in seinem Kopf wie ein aufgeregter Bienenschwarm. Wie konnte er sich anständig aus der Zwickmühle befreien, ohne taktlos zu erscheinen oder Marshas Gefühle zu verletzen? Eines war jedenfalls klar: er konnte ihren Antrag unmöglich annehmen. Aber es wäre albern und herzlos gewesen, eine so ehrliche Erklärung mit einem lässigen Schulterzucken abzutun. Nicht umsonst hatte er zu ihr gesagt: Wenn alle Menschen so ehrlich wären wie Sie …
Dann war da noch etwas – und warum sollte er sich scheuen, es zuzugeben, falls es ihm mit der Aufrichtigkeit ernst war? Marsha hatte ihn heute nacht nicht als junges Mädchen gereizt, sondern als Frau. Wenn er die Augen schloß, stand ihr Bild noch immer deutlich vor ihm wie starker Wein.
Aber von diesem starken Wein hatte er schon früher gekostet und von dem Rausch war nichts geblieben als ein bitterer Nachgeschmack. Damals hatte er sich geschworen, diese Versuchung künftig zu meiden. Machte eine solche Erfahrung einen Mann kritischer und klüger bei der Wahl einer Frau? Er bezweifelte es.
Und dennoch war er ein Mann, atmete, fühlte. Keine selbstauferlegte Absonderung konnte oder sollte ewig dauern. Fragte sich nur, wann und wie sollte er sie beenden?
Was nun? Würde er Marsha wiedersehen? Falls er ihre Beziehung nicht auf der Stelle und unwiderruflich abbrach, war ein Wiedersehen vermutlich unvermeidlich. Unter welchen Bedingungen sollte er die Bekanntschaft fortsetzen? Und wie verhielt es sich mit dem Altersunterschied zwischen ihnen?
Marsha war
Weitere Kostenlose Bücher