Hotel
der Kellner und des Küchenpersonals bis zu den ölbeschmierten Overalls der Techniker. Das meiste erforderte die übliche Routinebehandlung, aber letzthin hatte eine lästige Unsitte in empörender Weise Schule gemacht. Die Urheber waren Geschäftsleute, die ihre Berechnungen auf dem Tischtuch anstellten und dazu Kugelschreiber benutzten.
»Würden die Ferkel das bei sich zu Hause auch machen?« fauchte Mrs. Schulder den Arbeiter an, der Nachtdienst gehabt und die anstößigen Tücher aus einem Haufen normal verschmutzter Tischwäsche aussortiert hatte. »Verdammt – wenn sie’s täten, würden ihnen ihre Frauen ganz schön in den Arsch treten. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich diesen Hampelmännern von Oberkellnern schon gesagt habe, sie sollten ein Auge drauf haben und dem Geschmier ein Ende machen, aber nein … denen ist das doch ganz egal!« Sie äffte mit tiefer Stimme einen Kellner nach. »Jawohl, Sir, aber gewiß, Sir, steh’ Ihnen ganz zu Diensten, Sir. Kritzeln Sie ruhig das Tischtuch voll, Sir, und hier ist noch ein Kugelschreiber, Sir. Solange ich ein fettes Trinkgeld kriege, schert mich die gottverdammte Wäscherei einen Dreck!«
Mrs. Schulder verstummte. »Gehen Sie nach Haus«, sagte sie gereizt zu dem Arbeiter, der sie mit aufgerissenem Mund anstarrte. »Den ersten Ärger hab’ ich weg, und Sie sind schuld dran.«
Ein Glück, daß sie den Packen abgefangen hatte, bevor er im Wasser landete, dachte sie, als der Mann abgezogen war. Sobald Kugelschreibertinte erst einmal naß geworden war, konnte man das Tischtuch praktisch abschreiben, denn gegen solche Flecken half kein Mittel, außer Dynamit. So würde sich Nellie die Expertin im Fleckenentfernen – heute mit Tetrachlorkohlenstoff an die Arbeit machen, und wenn sie Glück hatten, würden sie den größten Teil des Packens retten. Aber auch dann – dachte Mrs. Schulder grimmig – hätte sie gern ein Wörtlein mit den Schmierfinken gesprochen, die all die Scherereien verursacht hatten.
Und so lief überall im ganzen Hotel der Betrieb an. Vor und hinter den Kulissen – in der Wirtschaftsabteilung, den Büros, der Schreinerei, Bäckerei, Druckerei, Installation, im Einkauf, in der Innendekoration, der Magazinverwaltung, der Fernsehreparaturwerkstatt – begann ein neuer Tag.
2
In seiner privaten Sechs-Zimmer-Suite in der fünfzehnten Etage stieg Warren Trent von dem Friseursessel, in dem Aloysius Royce ihn rasiert hatte. Ein stechendes Zucken seines Ischiasnervs in der linken Hüfte gemahnte ihn daran, daß er wieder einen jener Tage vor sich hatte, an denen er sein reizbares Temperament würde zügeln müssen. Der private Friseursalon befand sich neben einem geräumigen Bad, das außer einem Dampfkabinett und einem in den Boden eingelassenen Becken im japanischen Stil auch ein eingebautes Aquarium enthielt, in dem tropische Fische mit Glotzaugen durch lamelliertes Glas starrten. Warren Trent schritt steifbeinig ins Bad und blieb vor einem wandbreiten Spiegel stehen, um die Rasur zu begutachten. Er fand nichts an ihr auszusetzen, während er sein Spiegelbild einer gründlichen Musterung unterzog.
Es zeigte ihm ein tief gefurchtes und zerklüftetes Gesicht, einen schlaffen Mund mit einem Anflug von Humor, eine schnabelförmige Nase und tiefliegende Augen, deren undurchdringlicher Blick kein Geheimnis preisgab. Sein früher kohlschwarzes Haar war nun weiß, dicht und noch immer gelockt. Ein Eckkragen mit sorgfältig geknüpfter Krawatte vervollständigte das Portrait eines vornehmen Gentlemans aus den Südstaaten.
Zu jeder anderen Zeit hätte ihm seine peinlich gepflegte Erscheinung Freude gemacht. Aber heute verdunkelte die niedergedrückte Stimmung, die ihn in den letzten Wochen überkommen hatte, alles andere. Heute war also Dienstag. In dieser endgültig letzten Woche zählte er die Tage – vier Tage, um zu verhindern, daß sich sein Lebenswerk in Nichts auflöste.
Mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln über seine trübseligen Gedanken humpelte der Hotelbesitzer in das Eßzimmer, wo Aloysius Royce den Frühstückstisch gedeckt hatte. Neben dem langen Eichenholztisch mit dem gestärkten Leinenzeug und dem blinkenden Tafelsilber stand ein Servierwagen mit Warmhalteplatten, der vor wenigen Sekunden im Eiltempo aus der Hotelküche heraufgebracht worden war. Warren Trent sank schwerfällig in den Sessel, den Royce zurückgeschoben hatte, und wies dann mit der Hand auf den gegenüberliegenden Platz. Der junge Neger legte
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