Hotel
Gregory seine Abfälle gepreßt, eingefroren und dann auf einen städtischen Müllabladeplatz befördert. Aber mit der Zeit nahm der Verlust an Tafelsilber einen so erschreckenden Umfang an, daß ein eigener Verbrennungsofen gebaut und Booker T. Graham angestellt wurde, um ihn mit der Hand zu beschicken.
Seine Aufgabe war einfach. Der gesamte Abfall wurde in Tonnen gesammelt, die auf Karren standen. Booker T. schob die Karren nacheinander in den Hof, breitete den Inhalt der Tonnen auf einem großen Blech aus und harkte ihn wie der Gärtner ein Beet. Wenn dabei irgendeine Beute zutage gefördert wurde, wie Flaschen, Gläser, Tafelsilber und gelegentlich auch Schmuckstücke von Gästen, fischte Booker T. sie heraus. Dann wurde der durchsortierte Müll in den Ofen geschoben und die nächste Ladung in Angriff genommen.
Die Ausbeute der vergangenen Nacht zeigte, daß das Gesamtergebnis für den fast abgelaufenen Monat dem normalen Durchschnitt entsprach. Es handelte sich um beinahe 2000 Stück Tafelsilber, im Wert von je einem Dollar für das Hotel, um etwa 4000 Flaschen, Wert zwei Cents pro Stück, 800 intakte Gläser, je ein Vierteldollar, und außerdem eine reiche Auswahl anderer Gegenstände, unter denen sich – unbegreiflicherweise – auch eine silberne Suppenterrine befand. Dem Hotel wurden dadurch jährlich an die vierzigtausend Dollar erspart.
Booker T. Graham, der in der Woche 38 Dollar verdiente, war mit seiner Arbeit fertig, zog sich seine schmierige Jacke an und ging heim.
Inzwischen war der Betrieb am Personaleingang, einem schmutzigbraunen Backsteintor in einer Seitenstraße der Common Street, immer stärker geworden. Allein und zu zweien tröpfelten Leute von der Nachtschicht hinaus, während die von der ersten Tagschicht aus allen Teilen der Stadt in ständig wachsender Flut hereinströmten.
Im Küchentrakt wurden Lichter angeknipst, morgendliche Gehilfen vertauschten in den angrenzenden Umkleideräumen ihren Straßenanzug gegen frische weiße Kittel und verwandelten sich in Köche. In wenigen Minuten würden sie mit der Zurüstung der 1600 Hotelfrühstücke beginnen und gleich danach – lange, bevor die letzte Portion Rührei mit Schinken am späten Vormittag serviert war – die für den heutigen Tag angesetzten 2000 Lunchportionen in Angriff nehmen.
In dem Gewimmel summender Kessel, riesiger Öfen und anderer Großküchenapparaturen sorgte ein kleines Paket Quäkerflocken für eine anheimelnde Note. Es war für die wenigen Unentwegten bestimmt, die, wie jedes Hotel wußte, zum Frühstück Porridge verlangten, ohne sich darum zu kümmern, ob die Außentemperatur fünf Grad unter Null oder vierzig Grad Wärme im Schatten war.
In der Küchenbratstation überprüfte Jeremy Boehm, ein sechzehnjähriger Küchenjunge, den großen Tiefbrater, den er vor zehn Minuten eingeschaltet hatte. Instruktionsgemäß hatte er ihn auf 95 Grad eingestellt, so daß die Temperatur später schnell auf die erforderlichen 165 Grad erhöht werden konnte. Für das Menü des Hauptrestaurants war als Lunch-Spezialität Brathähnchen nach Art des Südens vorgesehen, und so würde der Brater an diesem Tag viel zu tun bekommen.
Jeremy stellte fest, daß das Fett im Brater ordnungsgemäß heiß geworden war, aber er fand, daß es wesentlich mehr rauchte als sonst, trotz des überhängenden Rauchfangs und des eingeschalteten Ventilators. Er fragte sich, ob er seine Beobachtung melden sollte, wobei ihm einfiel, daß ein Assistent des Küchenchefs ihn erst gestern scharf zurechtgewiesen hatte, weil er sich für die Saucenzubereitung interessierte; das, wurde ihm bedeutet, ging ihn nichts an. Jeremy zuckte mit den Schultern. Der Brater ging ihn auch nichts an. Sollte sich ein anderer damit herumärgern.
Einen halben Block entfernt, in der Hotelwäscherei, gab es bereits Ärger, wenn auch nicht gerade über Rauchentwicklung.
Die Wäscherei, ein geschäftiger, dunstiger Bezirk, war für sich allein in einem älteren zweistöckigen Gebäude untergebracht und vom Haupttrakt des St. Gregory aus durch einen breiten Kellertunnel zu erreichen. Mrs. Isles Schulder, die temperamentvolle, scharfzüngige Leiterin der Wäscherei, war vor einigen Minuten – wie immer als erste – in ihrem Wirkungsbereich eingetroffen. Im Moment galt ihre Sorge einem Stapel schmutziger Tischwäsche. Im Laufe eines Arbeitstages bewältigte die Wäscherei etwa 25ooo Wäschestücke, angefangen von Frottiertüchern und Bettlaken über Schürzen und Kittel
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