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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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hatte der Wächter sie gerade hier platziert? Wieso nicht
an einem Ort, wo mehr Sachschaden angerichtet wurde? Wo die Explosion Menschen
beeinflussen würde, die zu den Entscheidern zählten. Zum Beispiel beim
Autobahnbundesamt. Oder dem Regierungspräsidium, der zuständigen
Planfeststellungsbehörde. Und was sollte dann in die Luft gehen, nach der
dritten Warnung? Das bereits bestehende Pumpspeicherwerk der Schluwe? Das wäre
doch das Naheliegendste. Iris kannte die Gegend im Wehratal, von der aus ein
Stollen zu den Turbinen des Kavernenkraftwerks führte. Dort käme man rein. Den
Eingang hatten sie allerdings mit einem massiven Gittertor abgesperrt, um
Unbefugte fernzuhalten. Besagtes Kavernenkraftwerk war nicht einfach irgendein
früher gebautes Pumpspeicherwerk des Schluchseewerks, sondern eines der
weltweit größten. Es lag beim Wehratal-Stausee an der Todtmooser Straße und
produzierte mehr als eine Milliarde Kilowattstunden pro Jahr. Das Wehrabecken
bildete das Unterbecken dieses Kavernenkraftwerks und konnte aus dem
sechshundertdreißig Höhenmeter weiter oben gelegenen Hornbergbecken über den
anderthalb Kilometer langen Stollen bis zu 4,1 Millionen Kubikmeter Wasser
aufnehmen.
    Was, wenn dies nach den drei erfolgten Warnungen nun das wahre Ziel
des Wächters war?
    Herrje, bitte nicht! Das war ja eine Horrorvorstellung, wie eine
Szene aus einem Apokalypsefilm: Die über vierzig Meter hohe Staumauer des
Wehratal-Stausees flog in die Luft – und Millionen Liter Wasser ergossen
sich ins Tal. Nicht auszudenken, was das für die unten liegenden Ortschaften
bedeutete. »Geht und gießt die sieben Schalen mit dem Zorn Gottes
über die Erde« , hatte der Wächter in seiner ersten Botschaft geschrieben. Ja, gießen .
Das passte. Die Flut von oben würde auch über Brennet hereinbrechen, den
Heimatort von Regierungspräsident Julian Würtenberger und damit Leiter der
Behörde, die die Planfeststellungsverfahren zur A98 und zum Pumpspeicherwerk
durchführte.
    Sie musste sofort noch einmal mit dem Glücklichen telefonieren.
Falls dem so war, musste der Wächter irgendwo eine
greifbare Spur hinterlassen haben. Ein solches Vorhaben ließ sich nicht von
heute auf morgen realisieren, möglicherweise noch nicht mal von einem einzelnen
Mann. Das brauchte Logistik, Planungszeit und eine ganz schöne Menge
Sprengstoff. Die musste irgendwo herkommen. Und dann wäre der Wächter auch kein Dilettant, sondern hätte mit
seinen altertümlich anmutenden Bomben nur diesen Eindruck erwecken wollen.

5
    Niemand, der Iris Terheyde etwas näher kannte, wäre auch
nur im Entferntesten auf die Idee gekommen, sie an einem Sonntagmorgen um zehn
Uhr zu behelligen. Ihre Umgebung wusste, dass sie die üble Art des
Morgenmuffels war, jene, die nicht nur grummelte, sondern richtig kiebig werden
konnte, wenn man sie morgens uneingeladen störte. Aber natürlich hatte sich das
nicht überall herumgesprochen. Johannes Forstweiler zum Beispiel wusste das
nicht.
    Die Klingel unten an der Haustür hatte einen fiesen, ins Schrille
gehenden Ton. Iris ignorierte sie tapfer und zog sich sicherheitshalber die
Bettdecke über den Kopf. Trotzdem hörte sie kurze Zeit später die Glocke an der
Wohnungstür, ein aufsteigendes, etwas sanfteres Dummm, Dummm, Dummm. Wer, zum
Teufel, hatte da wieder einfach jemanden ins Haus gelassen, respektive die
Haustür offen stehen lassen? Dieser Gedanke veranlasste sie, wenigstens ein
Auge zu öffnen und auf den Wecker zu schielen. Sie sah die Zahlen nur
verschwommen. War das tatsächlich schon die Altersweitsichtigkeit? Brauchte sie
eine Brille? Blödsinn, sie war einfach noch nicht richtig wach. Sie blinzelte.
Ihr Blick klärte sich. Na also. Verdammt, schon zehn Uhr! Das blöde Ding hätte
vor einer Stunde klingeln sollen.
    Iris schoss aus dem Bett und stellte wieder einmal fest, dass ihr
schnelle Bewegungen am frühen Morgen nicht bekamen. Sie beschloss, sich einen
Kaffee zu kochen, um ihrem Kreislauf und ihrem Denkvermögen wieder auf ein
akzeptables Niveau zu helfen. Und sich anzuziehen, bis das Wasser kochte. Denn
schließlich musste sie nach Döttingen. Sie ging durchs Wohnzimmer zur
angegliederten Küchenzeile und befüllte den Wasserkocher. Dann wusch sie den
Kaffeestampfer aus. Jedenfalls nannte sie die runde Glaskanne mit dem
dazugehörigen Stempel zum Herunterdrücken des Kaffeepulvers so. Eigentlich hieß
das Ding ja French Press. Also französischer Druck. Warum auch immer. Sie gab
vier doppelte Löffel

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