Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
hätte
das nicht?«
    Sie senkte den Kopf. Er begriff, sie wollte nicht, dass er sah, wie
ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    Trautmann blickte sich um, bemüht, einen Ansatz für ein anderes
Thema zu finden. Er räusperte sich. »Da, sehen Sie mal, der alte Forstweiler.
Was macht der denn da? Und da ist ja auch der Mann, den ich suchen sollte,
Tanja Gerbers Vater. He, die Greise scheinen sich heftig zu streiten. Was ist
denn jetzt los?«
    Sie schaute hoch. »Franz Örtler ist mir vorhin schon über den Weg
gelaufen. Kurz nachdem ich die Bombe gefunden hatte. Der arme Mann, er ist
völlig verwirrt. Da, schauen Sie, sie streiten nicht, Forstweiler versucht, ihn
von hier wegzubekommen. Wahrscheinlich will er ihn nach Hause bringen.«
    Johannes Forstweiler zerrte tatsächlich Franz Örtler am Ärmel und
redete heftig auf ihn ein. Es sah fast aus, als flehe er ihn an, endlich
weiterzugehen. Örtler wurde lauter. »Scheißescheißescheiße«, brüllte er.
    »Was halten Sie davon, wenn wir Herrn Örtler heimbringen?«, fragte
Trautmann. »Sie können hier nichts tun, bis die Bergungsarbeiten abgeschlossen
sind. Die wissen, wo Sie zu finden sind, wenn sie eine Aussage von Ihnen
benötigen. Außerdem denke ich, dass wir jetzt beide einen Schnaps vertragen
können.«
    Iris reagierte nicht. Sie war mit ihren Gedanken wieder einmal woanders,
hatte ihn komplett vergessen. Wahrscheinlich der Schock.
    Trautmann ging zu den beiden alten Männern. »Kommen Sie, Herr
Örtler, beruhigen Sie sich. Ihre Tochter sucht Sie schon. Wir gehen jetzt zu
mir, und dann rufe ich bei ihr an, damit sie Sie abholen kommt. Danke, Herr
Forstweiler, dass Sie sich um Herrn Örtler gekümmert haben. Wieso sind Sie
eigentlich hier?«
    Der alte Hagestolz murmelte etwas von »Mittagsspaziergang«. Seine
Augen hingen an Iris Terheyde. Dann nickte er, als sei er zu einem Schluss
gekommen. »Muss jetzt heim. Heim ins Heim.« Er lachte rau und wandte sich an
den alten Örtler. »Tschau, Franz. Mir g’sehn eus.« Damit stapfte er in Richtung
Rhein und Altstadt.
    Franz Örtler hielt in seinen Schimpftiraden inne und nickte fast
unmerklich. Johannes Forstweiler sah es nicht mehr.
    Während sich Örtler nunmehr widerstandslos von Trautmann zu Iris
geleiten ließ, stellte dieser plötzlich fest: Er hatte neue Fragen dazubekommen.
Was hatte das Gänseblümchen in Rhina gewollt? Wieso ließ hier jemand eine Bombe
hochgehen? Hatte sie vorher davon gewusst, oder warum war sie hergekommen? Nun,
er würde der Geschichte schon auf den Grund gehen. Wozu war er schließlich
Detektiv?
    »Ich kann nicht«, sagte Iris in diesem Moment. »Ich muss doch
wissen, was mit dem Mann ist.«
    »Wir können später bei Buchmann auf dem Posten Laufenburg anrufen.
Er hat schon mit Ihnen zusammengearbeitet und gibt Ihnen bestimmt Auskunft«,
meinte er sanft.
    Sie senkte den Kopf und widersprach nicht mehr. Zum ersten Mal, seit
er sie kannte, ließ sie sich von ihm führen. Auch das schob er auf den Schock.
Örtler trottete hinter ihnen her.
    Schweigend marschierten sie durch die Unterführung unter der
Bundesstraße hindurch und über die Zimmermannstraße, am Westbahnhof vorbei,
Trautmanns Fahrrad immer zwischen sich. Dann weiter bis kurz vor das Waldtor,
bei dem sie beide wohnten.
    Der Einzige, der während des Fußmarsches unentwegt brabbelte, war
Franz Örtler. Er schimpfte vor sich hin. Was er genau sagte, war bis auf wenige
Wortfetzen nicht auszumachen. »Faschisten«, verstand Max Trautmann. Und dass
demnächst die Kommunisten kämen und Rache nähmen. Wofür, das ließ sich nicht
er- gründen.
    Weder Iris noch Trautmann versuchten, ihn zu beruhigen. Örtler
stromerte fast täglich nörgelnd und schimpfend durch die Laufenburger Altstadt,
über die Rheinbrücke hinüber in die Schweiz und denselben Weg zurück. Er war
bekannt dafür. Alle Laufenburger, selbst die Kinder, betrachteten ihn mit
lächelnder Nachsicht und Mitleid. Dieser Mann war einmal ein hohes Tier auf dem
Landratsamt gewesen, eine Respektsperson. Ein Mensch, dessen Meinung etwas
galt.
    Und nun? Nun war er nur noch ein alter Mann mit Säbelbeinen, rosigen
Bäckchen und einem Kirschmund in einem Gesicht, das geformt war wie einer
dieser Smileys. Für sein Alter hatte er bemerkenswert wenige Falten. Außer auf
der Stirn, doch da konnte man sich auch täuschen, denn er hatte sie praktisch
ständig in verärgerte oder besorgte Falten gelegt. Über den stahlblauen Augen
unterbrachen borstige dichte Augenbrauen die runden

Weitere Kostenlose Bücher