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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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nicht das mindeste
Bedürfnis, die ausgefallene Morgendusche bei der Anti- AKW -Demo
im Platzregen nachzuholen.
    »Ich habe wenig Zeit. Ich muss weg. Was ist?«
    Er nahm den Zahnstocher aus dem Mund. »Jo, also, kchönntet Sie mich
mitnäh, äh mitnehmen?«
    »Ich will aber nach Döttingen.«
    Er nickte. »Jo, desdewäge bin i do. Kchönntet sie mich mitnehmen?
Ich han kchai Auto. Un kchai Töff, äh Motorrad.«
    Iris musste über seine Mischung aus Schwyzerdütsch und Hochdeutsch
etwas schmunzeln. Sie sagte aber nichts dazu, sondern fragte: »Woher wissen
Sie, dass ich …«
    Der Wasserkocher machte ihr durch ein gurgelndes Geräusch klar, dass
er seine Arbeit getan hatte und das Wasser kochte.
    »Moment. Wollen Sie auch einen Kaffee?«
    Johannes Forstweiler konnte ihr nicht gleich antworten, denn er war
von einem Hustenanfall übermannt worden. Er räusperte sich mehrfach und
prustete in sein Taschentuch. Schließlich nickte er. »Jo, gärn. Dankche
vielmol. Tipptopp.«
    Iris goss schnell den Kaffee auf, rührte um und drückte den Stampfer
nach unten. Oder wie auch immer dieses stempelähnliche Runterdrückdings zum
Zusammenpressen des Kaffeepulvers am Boden der Kanne hieß. An dieser Stelle der
Kaffeezubereitung gestand sie sich mit schöner Regelmäßigkeit ein: Sie war
altmodisch bezüglich ihrer Methoden. Filterkaffe mochte sie nicht. Und Maschinenkaffe
auch nicht. Letzteren nicht wegen des Geschmacks, sondern weil sie es hasste,
dauernd die Kaffeemaschine zu putzen. Eine besonders große Abneigung hatte sie
gegen die ewige Entkalkerei. Das Laufenburger Wasser war sehr hart. Das hieß,
mindestens einmal in der Woche waren die Leitungen einer jeden Kaffeemaschine
verstopft, und statt heißem Wasser gab sie nur noch heißen Dampf von sich. Dazu
kam, dass sie meistens kein Entkalkungsmittel im Haus hatte. Essig ging auch,
aber dafür brauchte sie mindestens drei Durchläufe. Und danach stank alles
sauer.
    Sie hatte es geschafft, das Kaffeepulver nach unten zu drücken, ohne
eine allzu große Sauerei durch den aus der Ausgusstülle der Glaskanne
herausschwappenden Kaffee anzurichten, und schüttete das heiße Gebräu, dessen
Duft die Erweckung ihrer Lebensgeister versprach, in zwei große Tassen mit
Picasso-Motiven. »Milch, Zucker?«
    Der obere Teil des Gesichtes von Johannes Forstweiler tauchte aus
dem Taschentuch auf, und er schüttelte den Kopf. »Schwarz.«
    Iris gab ihm die Tasse. »Hier bitte.«
    Sie griff nach ihrer Tasse und trat an eines der beiden
Wohnzimmerfenster, die jeweils einen Ausschnitt des schönsten Bildes der ganzen
Wohnung umrahmten: den Blick auf den Rhein. Andere Bilder hatte sie sowieso
nicht, Iris mochte weiße Wände.
    Auf den Fluss zu schauen, das war wie eine Morgenmeditation. Es half
ihr, sich langsam auf den neuen Tag einzustimmen, sich darin zurechtzufinden.
Unter dem Himmel mit den heute blauschwarzen Blumenkohlwolken, die sich dort in
tausendfacher Zeitlupe vor hellblauem Hintergrund zusammenschoben und ebenso
langsam wieder auseinanderdrifteten, floss der Rhein träge und sattgrün dahin.
Noch grüner als die Bäume und Felder, die sich auf der Schweizer Rheinseite an
den südlichen Ausläufern des Tafeljura emporzogen und dem Fluss etwas von ihrer
Farbe abgaben. Der Rhein führte wenig Wasser und sah fast aus wie ein See, so still
war seine Oberfläche. Die Fahne mit dem aufgerichteten Habsburger Löwen über
dem Palas der gegenüberliegenden Burgruine hoch über dem Strom hatte das Wehen
eingestellt und hing schlaff am Mast.
    Sie hörte Forstweiler mit den typischen kleinen Schritten alter
Männer heranschlurfen. Er stellte sich mit seiner Tasse in der Hand neben sie,
sagte aber nichts, sondern wartete einfach. Iris war dankbar. Sie fühlte sich
so kurz nach dem Aufstehen noch außerstande, mehr als zweisilbige Worte zu
formulieren. Das gelang nur mit äußerster Anstrengung. Wenn sie musste. So ein
Telefonat wie das mit Felix war das Höchste der Gefühle. Es war still im Raum.
Die Welt atmete Frieden. Und sie genoss den Augenblick. In Momenten wie diesem
stand die Zeit still, war außer diesem Strom und seinem Fließen der Rest der
Welt weit weg und unwichtig, auch ein Wächter mit seinem Drohbrief und seinen Bomben. In solchen Augenblicken gab es keinen
Neid und keinen Hass, keine Zweifel, keine Gewalt und keine Kriege. Sondern
einfach nur Sein. Wenn sie hier am Fenster stand und hinausschaute, fühlte sie
sich als ein Teil der Ewigkeit.
    Johannes Forstweiler räusperte

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