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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Formen. Sie standen
unternehmungslustig nach oben und bildeten einen merkwürdigen Kontrast zu den
Apfelbäckchen.
    Bis auf die Beine war auch Örtlers Figur eher rund und untersetzt.
Er trug normalerweise statt der Boxershorts eine am Hintern und an den Knien
abgewetzte braungrüne Breitripp-Cordhose, bunte Hosenträger mit
Biene-Maja-Motiven darauf, die wohl eher für Kinder gedacht waren, und ein
gelbes Hemd. Wenn Trautmann Franz Örtler sah, fühlte er sich aus einem für ihn
selbst unerfindlichen Grund immer an eine Comic-Serie erinnert, die heutzutage
kaum noch jemand kannte: »Herr Rossi sucht das Glück.«
    Iris weigerte sich strikt, mit in Trautmanns Wohnung zu kommen und
auf den Schreck einen Schnaps zu trinken. Sie habe noch etwas vor, erklärte
sie. Sie müsse aufs Polizeirevier, um ihre Aussage zu machen. Und das könne sie
wohl schlecht mit einer Schnapsfahne tun.
    Trautmann schluckte die Enttäuschung hinunter, warf einen Blick auf
das seit einiger Zeit dekorierte Schaufenster neben seiner Haustür. Im
Erdgeschoss hatte sich nach langem Leerstand die Filiale eines Bad Säckinger
Bestattungsinstituts eingerichtet. Die werden wohl nicht so bald wieder
verschwinden, dachte Trautmann in Anbetracht der vielen leeren Ladenfenster in
der Altstadt. Solange es Menschen gab, würden auch welche sterben. Er schloss
die Haustür auf. Franz Örtler bruddelte weiter vor sich hin und ächzte, während
er sich hinter ihm die schmale Treppe zu seiner Wohnung emporquälte.
    Trautmann konnte sich trotz der leeren Altstadtläden und der von
Lärm erfüllten Zeiten zu Fasnacht oder wenn mal wieder ein Fest in der Altstadt
war, keinen besseren Ort zum Leben vorstellen als das romantische Laufenburg.
Zumindest seitdem die Autos sich nicht mehr über die Laufenbrücke und durch die
engen Gassen den Berg hinaufdrängten, sondern über die neue Hochrheinbrücke im
Osten fuhren. Gut, sie war nicht mehr wirklich neu, schon mehrere Jahre alt.
Trotzdem freute er sich noch immer an den so positiv veränderten Verhältnissen.
Wenn er sich einsam fühlte, ging er auf seinen Balkon, lehnte sich zwischen den
Geranienkästen ans Geländer und beobachtete die Tagestouristen und die Radfahrer.
Manche strebten der Laufenbrücke zu, vermutlich, um sich die Burg in der
Schweiz anzuschauen. Doch die konnte er von seinem Balkon aus nicht mehr sehen.
Andere tranken vielleicht einen Kaffee und aßen Kuchen im »Hähnle« neben der
Brücke, das lauschige Plätzchen unter einem großen Kastanienbaum direkt am
Rhein zu bieten hatte. Vielleicht aßen sie auch noch beim Griechen zu Abend.
    Doch die Kaufkraft der Tagestouristen reichte nicht aus, um das
Juweliergeschäft am Leben zu halten oder den Optikerladen. Die Laufenburger und
besonders auch die Kunden aus der angrenzenden Schweiz mit ihren starken
Franken kauften das, was sie so benötigten, im Gewerbepark auf der Grünen Wiese
ganz in der Nähe der Hochrheinbrücke ein. Immerhin hatte sich für die Räume des
Optikers eine Nachmieterin gefunden, eine russische Schneiderin, die sich
schnell den Ruf erworben hatte, dass sie fast alles konnte.
    Hosen kürzen konnte sie jedenfalls. Das hatte Trautmann schon
festgestellt. Er brauchte im Bund relativ weite Hosen. Und die waren immer zu
lang. Aber er war nun mal kein Mann von der Stange, wie die charmante und
darüber hinaus recht gut aussehende Russin bei jedem Auftrag aufs Neue zu
bemerken pflegte. Vielleicht war sie aber auch keine Russin, sondern eine
Kirgisin. Oder aus Tadschikistan. Er musste sich beim nächsten Besuch mal genauer
erkundigen. Noch immer war er nicht in der Lage, all die Staaten aufzuzählen,
in die sich die ehemalige Sowjetunion aufgesplittet hatte.
    Im Wohnzimmer griff Trautmann zum Telefon. »Setzen Sie sich«, bat er
den alten Mann. »Ich rufe jetzt Ihre Tochter an, die kommt Sie holen.« Dann
schaltete er wieder den Polizeifunk ein und geriet mitten in einen regen
Funkverkehr zwischen Polizei und Leitstelle. Es rauschte heftig, doch so viel
konnte er verstehen: Der Mann, der die Bombe hatte entschärfen sollen, war schwer
verletzt geborgen worden. Es gab derzeit noch keine gesicherten Erkenntnisse,
aber zumindest die Vermutung, dass er vielleicht einen Fehler gemacht haben
könnte und deshalb in die Luft geflogen war. Er hatte mehrere Finger sowie ein
Auge verloren und rang im Krankenhaus um sein Leben.
    Franz Örtler wankte und setzte sich auf das neue rote Sofa, das
Trautmann erst vor einigen Wochen erstanden hatte. Max

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