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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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in dem er von einer Razzia
berichtete. Vermutlich waren er und seine Leute gerade dabei, die Bauwagen von
Stümpfli zu filzen. Falls er nach ihrem Anruf gleich einen Durchsuchungsbefehl
bekommen hatte. Der leitende Staatsanwalt liebte keine nächtliche Ruhestörung.
Sie hoffte inbrünstig, dass Bleich jetzt eins auf den Deckel bekäme. Halb
sieben. So schwer es ihr auch fiel, sie musste sich noch etwas gedulden. Dafür
schnappte sie sich ihre Notizen vom Abend zuvor und tippte sicherheitshalber
noch einmal alle Kontonummern ab, die sie sich bei ihrer Bauwagenaktion notiert
hatte. Damit hatte der Glückliche es schriftlich. Nur für den Fall, dass sie
gestern bei ihrem Telefonat eine Zahl verdreht haben sollte. Sie klickte auf
»Entwurf speichern«.
    Noch einmal ins Bett? Einen Versuch war es wert. Iris wälzte sich
eine Stunde hin und her, dann gab sie auf. Es war wieder ein strahlender Tag,
wie Samt und Seide. Einer, der richtig einlud, schwimmen zu gehen. Um acht Uhr
machte das Laufenburger Gartenstrandbad auf. Dort würde sie um diese Uhrzeit
auch Linda treffen. Die zog dort eigentlich fast jeden Morgen ihre Bahnen, ehe
sie um neun Uhr die Buchhandlung öffnete.
    Während das Kaffeewasser kochte, schlüpfte Iris in ihren Badeanzug.
Er war mindestens zwanzig Jahre alt. Schillerte in verschiedenen Blautönen.
Quergestreift. Sie brauchte dringend einen neuen, er war an manchen Stellen
schon etwas fadenscheinig. Besonders an den Dauer-Dehnstellen. Nun, für den
Moment musste er noch herhalten. Sie schnappte sich eine Stofftasche mit der
Aufschrift »Laufenburg« und stopfte Unterhose, BH und Handtuch sowie Duschgel hinein. Im Schwimmbad konnte man seit dem Umbau vor
einigen Jahren auch warm duschen. Einen Fön brauchte sie nicht, ihre kurzen
Haare wurden bei einem solchen Wetter in Windeseile von allein trocken.
    Iris hörte das Kaffeewasser kochen und warf im Vorbeigehen aus
Versehen einen Blick in den Ganzkörperspiegel an der Badezimmertür. Sie vermied
das normalerweise um diese Uhrzeit. Morgens war sie noch nicht ausreichend
gewappnet, um mit der Diskrepanz zwischen ihrem gefühlten und ihrem wirklichen
Aussehen fertig zu werden. Gefühlt hatte sie eine relativ schlanke Taille. Und
nirgendwo, nicht an den Oberschenkeln und auch nicht an den Oberarmen, das
kleinste Fitzelchen Orangenhaut. Außerdem hatte sie gefühlt einen Badeanzug,
der ihr einen flachen Bauch verpasste und sämtliche Speckröllchen einfach
wegdrückte.
    Das Bild ihres wirklichen Aussehens versuchte sie so schnell wie
möglich wieder zu verdrängen. Sie machte kehrt und fuhr in Jeans und
Schlabbershirt, ehe sie den Wasserkocher abstellte. Einen zweiten Blick auf
ihre Formen im Badeanzug hätte sie jetzt nicht verkraftet.
    Als sie die Haustür unter den Arkaden öffnete, sah sie sich
unversehens einem alten Mann und einem Teenager gegenüber. Sie erkannte
Johannes Forstweiler. War das neben ihm nicht Nicole, eine von Tanja Gerbers
Töchtern? Du meine Güte, gestern war das Mädchen doch noch ein Kind gewesen.
Und jetzt? Sie stand einer jungen Frau gegenüber. Getuschte Wimpern, große
braune Augen, eine Haut wie ein Pfirsich. Die schlanke Gestalt mit der schmalen
Taille steckte in einem engen gelben T-Shirt. Darüber trug sie ein grünes Top.
Dieser Zwiebellook war ja heutzutage modern. Eine weiße Capri-Hose gab unten
zierliche Knöchel frei, die Füße steckten in weißen Turnschuhen. Das Mädchen
würde den Männern ganz schön den Kopf verdrehen. Iris dachte lieber nicht
darüber nach, wie dick und komplexbeladen sie in Nicoles Alter gewesen war. Wie
alt war Nicole überhaupt? Dreizehn? Vierzehn? Herrje, wie die Zeit verging. Sie
fühlte sich noch älter als vorhin vor dem Spiegel.
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte sie.
    »Wir warten auf Sie«, antwortete Nicole.
    »Und warum haben Sie nicht geklingelt?«
    »Jo, mich dünkcht ’s isch it guet, wenn am Morn öbber kchunt und Sie
sin no it richtig wach.«
    In Iris regte sich bei der Erinnerung an Forstweilers ersten Besuch
in ihrer Wohnung das schlechte Gewissen.
    »Und, was wollen Sie von mir?« Sie versuchte, den ungewollt morgenmuffligen
Ton zu kaschieren, indem sie sich ein halbherziges Lächeln entrang.
    »Also, ’s ’isch, ich mein, mün mir sel …«
    »Wir wollen Sie engagieren. Onkel Forstweiler sagt, Sie seien eine gute
Polizistin. Und jetzt, wo Sie zusammen mit Herrn Trautmann ein Detektivbüro
aufmachen wollen …«
    »Warum gehen Sie dann nicht gleich zu Herrn Trautmann?«

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