Hotzenwaldblues
Vermögen überschreiben. Wegen der
Erbschaftssteuer. Aber dass er so weit gehen würde!«
Örtler warf Trautmann ein schiefes Lächeln zu. »Na ja,
ehrlicherweise muss ich gestehen, dass meine eigene Taktik in der Angelegenheit
auch nicht gerade geschickt war. Ich hab die unerklärlichen Schwächeanfälle
nämlich genutzt und den verwirrten Alten gespielt, um meinen Schwiegersohn
besser ausspionieren zu können. Haben Sie eigentlich schon was rausgefunden?«
Max wand sich. »Tut mir leid, nein, ich war noch mit einer anderen …
Recherche beschäftigt. Ich verspreche, ich werde mich um Ihren Fall kümmern.
Ihre eigenen Vorkehrungen haben ja bereits zu konkreten Ergebnissen geführt.
Und wenn es darum geht, zu bezeugen, dass Sie keineswegs verrückt sind: Das
kann ich gerne tun. Außerdem, so schnell geht das nicht, einen Menschen für
unmündig erklären zu lassen. Weiß Ihre Tochter von der Arsenvergiftung?«
Örtler schüttelte den Kopf. »Nein. Die Ärzte wollen es noch einmal
überprüfen und dann die Polizei informieren. Sie sagen, ich habe das Arsen
schon eine ganze Weile bekommen.«
»Für die Polizei wäre natürlich nicht nur Ihr Schwiegersohn, sondern
auch Ihre Tochter verdächtig.«
»Tanja war das bestimmt nicht. Ich glaube, sie ist ebenfalls in
Gefahr. Was, wenn ihr Mann sie loswerden will, um zu seiner Geliebten zu
ziehen? Hören Sie mir eigentlich zu?«
»Meine Herren, das ist ein Ding.«
»Das können Sie laut sagen, Herr Trautmann. Ich hab übrigens einen
Brief geschrieben. Sie wissen schon, das festgehalten, was ich über meinen
Schwiegersohn weiß. Das mit dem Arsen steht da natürlich noch nicht drin. Das
weiß ich ja erst seit heute sicher.«
»Warum haben Sie mich nicht gleich angerufen?«
»In meinem Zustand? Und sehen Sie hier ein Telefon?«
»Es gibt da also etwas, was Ihren Schwiegersohn ins Gefängnis
bringen könnte. Nun verraten Sie schon, worum es geht.«
»Ich hab ein Schließfach bei der Sparkasse in Bad Säckingen. Da
liegt der Brief drin. Wenn mir was passiert …«
Max kam sich vor, als erlebte er den Abklatsch eines schlechten
Krimis. »Und der Schlüssel?«
Örtler grinste. »Ich liege drauf. Mit meinem Arsch. Wenn der im Grab
liegt, kann die Polizei das Schließfach öffnen. Ich habe übrigens meine Tochter
enterbt, alles meinen beiden Enkelinnen vermacht und auf den Rat meines
Freundes Forstweiler hin einen Anwalt als Vermögensverwalter eingesetzt. Gut,
meine Tochter kann nichts dafür. Aber dieses Arschloch von Ehemann bekommt mein
Geld nicht durch den Umweg über sie. Ich habe ihm noch nie getraut.«
Max verzichtete darauf, Franz Örtler mitzuteilen, dass Tanja Gerber
auf jeden Fall ein Pflichtteil zustand. Es sei denn, man konnte ihr die
Beteiligung an einem Mordversuch nachweisen. Forstweiler war also eine
Vertrauensperson für Örtler. Ob der wusste, was in dem Brief stand? »Nun reden
Sie schon, was haben Sie aufgeschrieben?«
»Das werde ich Ihnen gerade sagen.«
»Aber wenn Ihnen was passiert?«
»Dann ist es immer noch früh genug. Außerdem wird die Polizei diesen
Erbschleicher jetzt ohnehin unter die Lupe nehmen, meinen Sie nicht? Ich glaube
nicht, dass er es wagt weiterzumachen.«
»Na ja, die müssen ihm erst mal beweisen, dass er derjenige war, der …«
»War er. Da verwette ich meinen Hintern drauf. Und jetzt gehen Sie.
Ein alter Mann braucht seinen Schlaf. Lassen Sie die Flasche hier. Die Gläser
können Sie mitnehmen.«
Erst als er draußen war, fiel Trautmann auf, dass er
völlig vergessen hatte, Franz Örtler zu fragen, was dessen Freund Johannes
Forstweiler in Iris’ Computer zu suchen gehabt hatte. Das hätte er ja schon
gerne gewusst.
Zu Hause angekommen, spähte er hinüber auf die andere Straßenseite.
In Iris’ Wohnung über den Arkaden brannte kein Licht. Also ergab es wohl wenig
Sinn, sie anzurufen. Er würde ihr morgen von seinen neuesten Erkenntnissen
berichten. Dienstags arbeitete sie im Buchladen. Vielleicht war sie ihm
gegenüber dann ein wenig gnädiger gestimmt. Und vielleicht konnte sie ihm ja
sogar erklären, was Forstweiler von ihr wollte. Ein ehemaliger Pfarrer. Ein
reformierter. Egal, auch denen war offenbar nicht über den Weg zu trauen.
Er griff zum Stift und schrieb in sein Haiku-Ideensammelbuch:
Selig die Stunde,
in der ich von ihr träume
und ihr Mund lächelt.
In dieser Nacht schlief Max Trautmann schlecht. Ein völlig
durchgeknallter Franz Örtler verfolgte ihn mit einer Giftspritze, und
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