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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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auch gesagt, aber er ist jung, und gestern ist er noch rumgelaufen, darum denken sie, man sollte es versuchen. Ich soll es machen, haben sie gesagt, heute abend, und ich bin ganz steif vor Angst.«
    Aus dem Zimmer kamen Schreie. Der Gelbe wand sich in seinem Bett, zappelte wie ein Thunfisch am Haken. Ein Pfleger schob gemächlich zwei hochbeladene Wagen mit Bettwäsche, Kitteln, OP -Kleidung und großen Plastiksäcken mit der Aufschrift »Vorsicht – hochinfektiös« auf uns zu. Die Oberschwester informierte den Kleinen, daß das Blut in einer halben Stunde bereit sei, aber nur eine Schwester könne ihm assistieren. Die anderen hätten Angst, sie könnten sich mit einer der Nadeln stechen und mit der tödlichen Krankheit infizieren. Sie weigerten sich, in dem Zimmer zu arbeiten. Der Kleine und ich sahen der Schwester nach, als sie sich entfernte, und auch dem Transportpfleger, der pfeifend im Fahrstuhl verschwand. Der Kleine schaute zu mir auf, Entsetzen stand in seinen Augen. Dann legte er seinen Kopf an meine Schulter und weinte. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich hätte ihm gern geholfen, aber auch ich hatte Angst, mir etwas einzufangen, was mich dazu bringen würde, heute zähneklappernd herumzulaufen und morgen wie ein Thunfisch am Haken zu zappeln.
    »Tu mir einen Gefallen«, sagte der Kleine. »Wenn ich sterbe, nimm das Geld aus meinem Treuhandvermögen und stifte es der BMS . Setz einen Preis aus für den Studenten, der als erster das Krankhafte dieses Geschäfts erkennt und das Studium hinschmeißt, um was anderes zu machen.«
    Ich half ihm mit seiner sterilen OP -Kleidung, mit den Handschuhen, der Gesichtsmaske und der Haube. Wie ein Astronaut schob er sich in das Zimmer, schlurfte unbeholfen zum Bett und begann mit der Prozedur. Die Beutel mit frischem Blut kamen an. Mit einem Kloß im Hals ging ich den Korridor hinunter. Die Schreie, Gerüche und seltsamen Bilder durchsiebten mir den Kopf wie Kugeln in einem Alptraumkrieg. Ich hatte den Gelben gar nicht berührt, aber ich ging trotzdem in den Waschraum und schrubbte mich so lange wie ein Chirurg. Mir war elend zumute. Ich mochte den Kleinen. Und nun würde er sich mit einer kontaminierten Nadel stechen, sich diese leberzersetzende Hepatitis einfangen, gelb werden, wie ein Fisch am Haken zappeln und sterben. Und wofür?
    Wie in einem vollen Wassertank sitzend hörte ich Berry zu, während ich den letzten Brief meines Vaters las:
    … 
Inzwischen wirst Du mitten in Deiner Arbeit stecken, und sie wird zur Routine werden. Ich weiß, es gibt dort sehr viel zu lernen, und Du wirst Dich hineinvertiefen. Medizin ist ein großartiger Beruf, und es ist wunderbar, einen Kranken heilen zu können. Samstag habe ich in der Hitze achtzehn gespielt, und mit einem Kübel Eistee war es auszuhalten, und einen birdie bei Nummer …
     
    Anders als mein Vater war Berry nicht so sehr daran interessiert, irgendeine Illusion von der Medizin aufrechtzuerhalten. Sie wollte vielmehr meine Erfahrungen verstehen. Sie fragte mich, wie es gewesen sei, und als ich versuchte, es ihr zu schildern, merkte ich, daß ich es einfach nicht konnte. Es war anders als alles, was ich bisher erlebt hatte.
    »Aber was macht es denn so besonders schwer? Die Erschöpfung?«
    »Nein. Ich glaube, die Gomers sind es und der Dicke.«
    »Erzähl mir davon, Liebling.«
    Ich erzählte ihr, daß ich nicht wußte, ob ich das, was der Dicke über Medizin lehrte, für verrückt halten sollte oder nicht. Je mehr ich sah, desto mehr Sinn ergab das, was der Dicke tat. Ich fing an zu glauben, ich sei verrückt, weil ich dachte, er sei verrückt. Ich erzählte ihr von den Gomers und wie wir über Ina mit dem Helm der RAMS gelacht hatten und wie sie Potts mit ihrer Tasche verprügelt hat.
    »Alte Leute Gomers zu nennen, klingt nach Abwehr.«
    »Gomers sind nicht einfach alte Leute. Der Dicke sagt, er mag alte Leute, und ich glaube ihm, denn er hat Tränen in den Augen, wenn er von seiner Großmutter spricht und von ihren Matze-Klößen, die man auf Leitern ißt, weil man sie von der Decke abkratzen muß.«
    »Über diese Ina zu lachen, ist krank.«
    »Hier und jetzt wirkt es krank, aber nicht da drin.«
    »Warum hast du über sie gelacht?«
    »Ich weiß nicht. Es war in dem Augenblick einfach wahnsinnig komisch.«
    »Ich würde das gern verstehen. Versuch noch einmal, es zu erklären.«
    »Nein. Ich kann nicht.«
    »Versuch, dich davon zu befreien, Roy, bitte …«
    »Nein! Ich will nicht mehr darüber

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