House of God
ihn. Er war aschgrau. Motorrad-Eddie und Hyper Hooper führten ihn zum Tisch wie einen Hund an der Leine. Als er sein Tablett abstellte, war außer dem Besteck nichts drauf. Niemand sprach ihn darauf an.
»Ich werde sterben«, sagte der Kleine und zog seine Tablettenschachtel hervor.
»Du stirbst nicht«, sagte Hooper. »Du wirst nie sterben.«
Der Kleine berichtete uns von der Austauschtransfusion. Wie er das alte Blut aus der einen Vene abgezogen und das neue in die andere Vene injiziert hatte.
»Alles lief ziemlich gut, und dann – ich hatte eine Nadel aus der Leiste gezogen und will sie in die letzte Blutflasche stecken, und Celia, diese Kuh, die Schwester, also, sie hält die andere Nadel, die aus dem Körper des Gelben, hoch und … sticht mir damit in die Hand.«
Tödliches Schweigen. Der Kleine würde sterben.
»Plötzlich wurde mir schwindelig. Ich sah mein Leben an mir vorüberziehen. Celia sagte, Oh, tut mir leid, und ich sagte, Ach was, ist schon in Ordnung, das heißt nur, daß ich sterben werde, und Mellow Yellow hier ist einundzwanzig und ich bin siebenundzwanzig, ich habe also schon sechs Jahre länger gelebt als er und meine letzte Nacht damit zugebracht, etwas zu tun, von dem ich weiß, daß es vollkommen sinnlos ist, und wir werden zusammen sterben, er und ich, aber es ist OK , Celia.«
Der Kleine hielt inne, und dann schrie er: »Hörst du mich, Celia? Es ist OK ! Um 4 Uhr bin ich ins Bett gegangen und war sicher, ich würde nie wieder aufwachen.«
»Aber die Inkubationszeit liegt zwischen vier und sechs Monaten.«
»Ja? Dann wird einer von euch mir wohl in vier Monaten das Blut austauschen.«
»Das ist alles meine Schuld«, sagte Potts. »Ich hätte ihm die Steroide verpassen sollen.«
Nachdem die anderen gegangen waren, wandte sich der Kleine an mich und sagte, er müsse mir etwas gestehen.
»Meine dritte Aufnahme letzte Nacht. In dem ganzen Schlamassel mit dem Gelben kommt dieser Kerl in die Notaufnahme und ich … ich wurde einfach nicht fertig damit. Ich hab ihm fünf Dollar geboten, wenn er wieder nach Hause geht. Er hat sie genommen und ist gegangen.«
Beschleunigt von meiner Angst, raste die Zeit meines ersten Nachtdienstes auf mich zu. Potts übergab mir seine Patienten und ging nach Hause zu Otis. Verkrampft saß ich in der Stationszentrale und sah die traurige Sonne untergehen. Ich dachte an Berry und wünschte mir, bei ihr zu sein und Dinge zu tun, die junge Leute wie wir tun müssen, solange wir noch gesund sind. Meine Angst wuchs. Chuck kam vorbei, übergab mir ebenfalls seine Patienten und fragte:
»He, Mann, merkst du was?«
Ich bemerkte nichts.
»Kein Piepser, Mann. Jetzt können sie mich nich mehr kriegen.«
Ich sah ihm nach, wie er den Flur hinunterging, und wollte ihn rufen: »Geh nicht weg, laß mich nicht allein hier«, aber ich tat es nicht. Ich fühlte mich so einsam, ich hätte heulen können. Der Dicke hatte am Nachmittag, als ich immer nervöser wurde, versucht, mich aufzumuntern, indem er mir sagte, wieviel Glück ich hätte, daß er die ganze Nacht mit mir Dienst haben würde.
»Außerdem ist heute eine großartige Nacht«, hatte er gesagt.
»Es gibt
The Wizard of Oz
und Plintze.«
»
The Wizard of Oz
und Plintze?« fragte ich. »Was ist das?«
»Du weißt schon, die Geschichte mit dem Tornado, dem gelbgepflasterten Weg und diesem phantastischen Blechmann, der versucht, an Dorothys Höschen ranzukommen. Klassefilm. Und zum Zehn-Uhr-Essen Plintze. Wird ein Fest.«
Das hatte mir nicht sehr geholfen. Als ich mich in das Chaos der Station stürzte, die hydrierte und gewalttätige Ina Goober versorgte und mich über die mittlerweile fiebernde Sophie beugte, die über die LP so außer sich gewesen war, daß sie Putzel beschimpft hatte, zitterte ich vor Angst vor dem, was mir bevorstand. Und dann, als meine Zeit kam, mußte ich würgen. Ich war auf der Toilette, als die Vermittlung aus ihrem Schaltbunker einen direkten Schuß zu mir durchstellte: »Dr. Basch sofort in die Notaufnahme, Dr. Basch …« Jemand lag in der Notaufnahme im Sterben und man verlangte nach mir! Wußten die denn nicht, daß man in der ersten Juliwoche nicht in ein Lehrkrankenhaus ging? Ich geriet in Panik. Olafs Potato schoß mir wieder durch den Kopf, und mit klopfendem Herzen suchte ich den Dicken, der im Fernsehzimmer in
The Wizard of Oz
vertieft war. An einer Salami knabbernd sang er mit:
»Because because because because because of the wonderful things he does.
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