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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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hier und schwatze solange mit unseren Freunden, den Bullen.«
    »Prachtvoll!«
    sagte der rothaarige Polizist mit einem großen sonnigen Grinsen. »Zwanzig Minuten Schwatz mit dem Dicken sind ein geschenkter Gaul, dem wir sonstwohin sehen sollten, nur nicht ins Maul.«
    Ich fragte Gilheeny, wieso er und Quick so gut über diese Notambulanz informiert waren, und seine Antwort verwirrte mich:«
    Wären wir sonst Polizisten?«
    Ich verließ den Dicken und die beiden Polizisten, die sich in ihr Gespräch vertieften. Ich ging zur Tür von Zimmer 116 und fühlte mich prompt wieder allein und ängstlich. Ich holte tief Atem und ging hinein. Die Wände waren mit grünen Kacheln bekleidet, und das helle Neonlicht wurde vom blanken Stahl der Einrichtung reflektiert. Es war, als hätte ich ein Grab betreten, denn an einem bestand kein Zweifel: Hier kam ich mit dem armen Kerl, dem Tod, in Berührung. In der Mitte des Zimmers stand eine Trage. Auf der Trage lag Anna O. Reglos. Ihre Knie zeigten zur Decke hinauf, ihre Schultern rundeten sich um die Knie, so daß ihr Kopf, steif und ohne Stütze, fast die Oberschenkel berührte. Von der Seite sah sie aus wie der Buchstabe W. War sie tot? Ich rief sie an. Keine Antwort. Ich suchte ihren Puls. Kein Puls. Herzschlag? Keiner. Atem? Nein. Sie war tot. Wie passend, daß sich ihr ganzer Körper im Tod um ihre verfolgte jüdische Nase gekrümmt hatte. Ich war erleichtert, daß sie tot war, daß der Druck, mich um sie kümmern zu müssen, fort war. Ich sah das kleine Büschel ihres weißen Haares, und meine Großmutter fiel mir ein, wie sie im Sarg lag, und wie ich voller Trauer war über diesen Verlust. Ein Kloß bildete sich in meinem Leib, zerrte an meinem Herzen und wanderte hinauf in meinen Hals. Ich kannte dieses seltsame Gefühl von tapferer Wärme, bevor die Tränen kommen. Meine Unterlippe zuckte. Um Fassung bemüht, setzte ich mich.
    Der Dicke kam hereingestürzt: »Alles in Ordnung, Basch, Plintze und … he, was haben Sie denn?«
    »Sie ist tot.«
    »Wer ist tot?«
    »Diese arme Frau. Anna O.«
    »Unfug. Haben Sie den Verstand verloren?«
    Darauf sagte ich nichts. Vielleicht hatte ich ja den Verstand verloren, und die seltsamen Polizisten und die Gomers waren nur Halluzinationen. Der Dicke mußte meine Traurigkeit gespürt haben, denn er setzte sich neben mich.
    »Habe ich Sie bisher falsch gesteuert?«
    »Sie sind sehr zynisch, aber was Sie auch sagen, es scheint immer zu stimmen. Trotzdem ist es verrückt.«
    »Genau. Hören Sie zu, ich sage Ihnen, wann es Zeit ist zu weinen, denn es wird Momente geben in diesem
Ternship,
in denen Sie weinen müssen. Und wenn Sie dann nicht weinen, springen Sie von diesem Gebäude, und man wird Sie vom Parkplatz kratzen und in einen Plastiksack werfen. Sie werden zu einem Beutel Matsch. Kapiert?«
    Ich sagte ja.
    »Aber ich sage Ihnen, jetzt ist nicht der Moment, denn diese Anna O. ist ein echter Gomer, und Regel Nr.  1 lautet: Gomers sterben nicht.«
    »Aber sie ist tot, bestimmt. Sehen Sie sie sich doch an.«
    »Oh, sie sieht tot aus, sicher. Zugegeben.«
    »Sie ist tot. Ich habe sie angesprochen und ihren Puls gesucht und ihren Atem. Nichts. Tot.«
    »Bei Anna O. braucht man die umgekehrte Stethoskoptechnik. Schauen Sie her.«
    Der Dicke nahm sein Stethoskop, steckte den Ohrstöpsel in das Ohr von Anna O. und brüllte, die Glocke als Megaphon benutzend:
    »Cochlea, bitte kommen. Cochlea, bitte kommen, hörst du mich, Cochlea, bitte …«
    Mit einem Mal explodierte der Raum. Anna O. schwang auf und nieder und kreischte laut und durchdringend: Ruuudl ruuudl ruuuu …
    Der Dicke nahm sein Stethoskop aus ihrem Ohr, packte meine Hand und zog mich aus dem Zimmer. Das Kreischen hallte durch die Notambulanz, und Howard in der Zentrale starrte uns an. Als er ihn sah, brüllte der Dicke:
    »Herzstillstand! Zimmer 116 !«
    Howard sprang auf und kam herausgewetzt, und der Dicke zog mich lachend in den Fahrstuhl und drückte auf den Knopf zur Cafeteria. Strahlend sagte er:
    »Wiederholen Sie: Gomers sterben nicht.«
    »Gomers sterben nicht.«
    »Können Sie Gift drauf nehmen. Gehen wir essen.«
    Es gab wenige Dinge, die abstoßender waren, als dem Dicken zuzusehen, wie er sich einen Tag alte Plintze in den Mund schaufelte und dabei die ganze Zeit über so unterschiedliche Dinge redete wie das Pornomotiv in
Oz,
die Vorteile des fürchterlichen Essens, das wir vorgesetzt bekamen und schließlich, als wir allein waren, über seine Aussichten mit dem,

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