Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
Vom Netzwerk:
ja, hier behandeln sie die Angestellten wirklich gut.«
    Als das Gelächter verstummt war, fragte ich, ob der Patient mit der Einkaufstüte im Warteraum zur Chirurgie oder zur Inneren wollte.
    »Patient? Welcher Patient?« fragte Dini.
    »Oh, er meint Abe«, sagte Flash, der Krankenpfleger der Notaufnahme.
    Flash war ein zwergenhafter junger Mann mit einer Hasenscharte und einer Narbe, die auf seiner Lippe begann und sich irgendwo in unbekannten Gegenden verlor. Er sah aus, als hätte er als Kind eine schwere Chromosomenschädigung erlitten.
    »Is kein Patient, das is der irre Abe. Der wohnt da draußen, das is alles.«
    »Er wohnt im Warteraum?«
    »Mehr oder weniger«, sagte Dini. »Seine Familie hat dem
House
vor Jahren einen Haufen Kohle vermacht. Jetzt hat er kein Zuhause, und wir lassen ihn bleiben. Er ist OK , er kann es nur nicht leiden, wenn der Warteraum zu voll wird, und um die Weihnachtszeit wird er immer ein bißchen fuchtig.«
    Wie freundlich, den armen, alten Mann im Warteraum wohnen zu lassen. Die beiden Polizisten, deren Runde für diese Nacht beendet war, standen auf, um zu gehen.
    »Da wir Polizisten der Nacht sind«, sagte Quick, »und da wir einen großen Teil der dunklen, kalten Nacht vor den Gefahren der Finsternis geschützt in diesem hellen, warmen Raum verbringen und Kaffee trinken, werden wir uns unweigerlich wiedersehen, wenn unsere Schichten übereinstimmen. Guten Morgen, und Gott segne Sie.«
    Im Hinausgehen sagte Gilheeny noch:
    »Sie werden bald Cohen kennenlernen, den
Resident
der Psychiatrie. Ein Freudianer.«
    »Ein wandelndes Lehrbuch«, sagte Quick und die Tür schloß sich hinter ihnen.
    Dini nahm mich und Elihu mit auf einen Rundgang über die Station. Obwohl sie attraktiv war, störte mich etwas an ihr. Was war es nur? Ihre Augen. Ihre Augen waren harte, leere Scheiben, die nichts dahinter zeigten. Seit zwölf Jahren arbeitete sie auf diesem Brückenkopf. Sie zeigte uns die verschiedenen Räume: Gynäkologie, Chirurgie, Innere und zum Schluß Zimmer 116 , das sie liebevoll »Das Granaten-Zimmer« nannte.
    »Der Name stammt noch von Dubler. Granaten-Zimmer-Dubler. Da kommen die Gomers rein, die am schlimmsten schreien. Einmal waren da nachts drei von denen drin. Dubler rief uns zusammen, zog eine Granate aus seiner Tasche, machte die Tür auf, zog den Stift, warf die Granate ins Zimmer und wartete auf die Explosion.«
    Elihu und ich sahen uns ungläubig an.
    »Immer locker bleiben«, sagte Dini, »es war eine Spielzeuggranate.«
    Wir gingen zur Stationszentrale zurück, wo viele Klemmappen mit den Namen und Beschwerden vieler Patienten lagen. Nach einem kräftigen Frühstück und einer zweiten Tasse Kaffee begannen die »Notfälle« einzutrudeln. Der Warteraum war bald voll. Der irre Abe fühlte sich bedrängt und wurde unruhig. Es war nicht vorauszusagen, was passieren würde, wenn er sich richtig aufregte. Gath hatte sich ins Gewühl gestürzt, um die, die sich um Abe drängten, nach der Schwere ihrer Erkrankung zu sortieren. Die Schwestern verwandelten sie in Patienten in Krankenhauskleidung, nahmen ihre Daten auf und setzten sich nun wieder hin. Dini richtete ihre harten, leeren Scheiben auf Elihu und mich und sagte:
    »So, nun wissen Sie Bescheid. An die Arbeit.«
    Elihu und ich gingen an die Arbeit. Ich stand vor dem Gynäkologie-Raum und las meine erste Patienten-Akte: Princess Hope, sechzehn, schwarz, Bauchschmerzen. Mein Kopf war leer wie in den ersten Wochen meines
Internships.
Was wußte ich über Bauchschmerzen? Ich hatte auch schon mal Bauchschmerzen gehabt, ja, aber bei Frauen ist das anders. Zu viele Organe, und der Schmerz konnte von einem vergammelten Thunfisch-Sandwich kommen oder von einer vergammelnden Bauchhöhlenschwangerschaft, die die Patientin innerhalb einer halben Stunde umbringt. Ich blieb vor der Tür stehen.
    »Gehn Sie ruich rein«, schrie Sylvia. »Die hat gahnix.«
    Ich ging hinein. Neun von zehn Fällen in diesem Raum waren Kleinkram: Geschlechtskrankheiten, Scheidenjucken, Harnwegsgeschichten oder Thunfisch. Dieses Mal glaubte ich, es wäre etwas Schlimmes: Appendizitis. Ich ging zurück zur Stationszentrale und Sylvia sagte:
    »Wenn Sie so lange für einen Patienten brauchen, bringen Sie’s nur auf zehn am Tag, und Abe bringt Sie um!
    »Ich glaube, sie hat Appendizitis.«
    »Verdammt! Habt ihr das gehört? Reich’ mir mein Skalpell, Süßer.«
    Gath hörte nur »Skalpell« und war schon an meiner Seite. Aufmerksam, wenngleich skeptisch

Weitere Kostenlose Bücher