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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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mich durch diese Versammlung erfahrener Kranker hindurchzuarbeiten. Als ich gerade einen Gomer frisierte, stupste mich jemand an’s Bein. Ich sah hinunter und sah Chuck und den Kleinen, die auf allen Vieren auf den Fliesen hockten. Sie sahen aus wie junge Cockerspaniel im Schaufenster einer Tierhandlung. Hinter ihnen stand der Dicke.
    »Sagt nichts«, bat ich. »Laßt mich raten, was ihr da macht.«
    Sie sagten es doch. Sie lagen vor mir auf den Knien.«
    Weiß du auch, warum, Mann?« fragte Chuck.
    »Weil Howard die letzten zwölf Wochen Dienst in der Notaufnahme hatte. Und der hatte solche Angst, etwas übersehen zu haben, wenn er die Leute nach Hause schickte, daß er jeden aufgenommen hat. Er ist ein Sieb.«
    »Ein Sieb?« fragte ich.
    »Genau«, sagte Dickie. »Er läßt alle durch. Im Bellevue wäre die Hälfte von denen, die Howie aufgenommen hat, bereits vom Portier abgeschoben worden. Oder sie hätten sich geschämt, überhaupt reinzukommen. New Yorker haben ihren Stolz, vor allem wenn es an’s Altern geht. Howie hat sechs Aufnahmen pro
Tern
und Tag durchgehen lassen. Diese armen Jungs hier liegen jetzt vor Ihnen auf den Knien. Sie waren mal Ihre Freunde, erinnern Sie sich?«
    »Sie sind es noch«, sagte ich. »Was kann ich tun?«
    »Mann«, sagte Chuck, »sei ’ne Wand. Laß niemand rein.«
    »In New York haben wir mal gewettet«, sagte der Dicke, »wie lange man ohne eine Aufnahme durchhält. Siebenunddreißig Stunden. Sie hätten sehen sollen, was wir alles weggeschickt haben, Roy. Helfen Sie ihnen! Seien Sie eine Wand.«
    »Verlaßt euch auf mich«, sagte ich und sah ihnen nach, als sie gingen.
    Später an jenem Nachmittag saß ich in der Stationszentrale und sann über Siebe und Wände nach.
    »Da draußen im Wagen ist jemand mit einem Herzanfall!«
    Eine Frau stand schreiend in der automatischen Tür. Mein erster Gedanke war, die ist verrückt. Mein zweiter, wieso kommt ein Herzanfall in einem Auto und nicht in einem Krankenwagen, das muß ein Scherz sein. Und dann überfiel mich die Panik. Bevor ich mich rühren konnte, rannten Gath und die Schwestern schon mit einer fahrbaren Trage durch die Tür hinaus zu dem Auto. Ich war kaum auf den Füßen, da hatten sie dem Burschen einen präkardialen Faustschlag versetzt und waren mit Beatmung und Herzmassage zugange. Gath legte einen Zugang in eins der großen Halsgefäße, und alle zusammen rollten ihn ins Traumazimmer. Ich zitterte, und eine Regel des Dicken fiel mir ein: »Bei Herzstillstand zuerst den eigenen Puls fühlen.« Das half, und ich betrat das Zimmer. Da lag ein jugendlich wirkender Mann mit der blaß-blau-weißen Haut des Todes. Gath schob die Sonde ins Herz vor, Dini maß den Blutdruck, Flash beatmete ihn und Sylvia schloß das EKG an. Ich stand benommen und untätig da. Erst das EKG half mir. In dem Augenblick, in dem ich den schmalen, rosafarbenen Papierstreifen mit dem blauen Gittermuster sah, funktionierte ich wieder. Jetzt war es nicht mehr ein Mann, der im Sterben lag, fünf Jahre älter als ich. Es war ein »Patient mit einem anterioren Herzinfarkt, mit Episoden von ventrikulärer Tachykardie, die den Lungenkreislauf beeinträchtigen und den Infarkt noch verschlimmern.« Er wurde zu einer Abfolge von Begriffen und Zahlen, die auf die richtige Behandlung vielleicht ansprechen würden. Sein Herzrhythmus ging mir ein ins Gehirn, und »klick« kam ein Slogan heraus:
Lebe besser mit Strom,
und ich sagte:
    »Defibrillieren wir ihn.«
    Danach war er wieder im Sinus-Rhythmus, das tödliche Blau seiner Lippen wurde rosa, er kam zu Bewußtsein. Der
Resident
der Internistischen Intensivstation kam herunter, der Patient wurde zu ihm abgeschoben, und ich setzte mich endlich am ganzen Leibe zitternd hin.
    »Nicht schlecht für Ihren ersten«, sagte Dini sachlich.
    »Ich hatte Schiß«, sagte ich, »und ich versteh das nicht. Ich meine, ich habe schon oft einen Herzstillstand gesehen.«
    »Auf Station ist das was anderes«, sagte Dini. »Da oben hat man Informationen über den Patienten und weiß, was man zu erwarten hat. Hier unten hat man nur den Körper, der durch die Tür gerollt wird. Alles ist neu, nichts vorbereitet. Darum liebe ich es.«
    »Sie lieben das?«
    »Ja. Das ist die echte Spannung – alles, aber auch alles kann durch diese Tür kommen, und du mußt damit fertig werden. Sie sprechen am besten mit seiner Frau. Wenn sie durchkommen, ist es sowieso leichter. Sprechen Sie mit ihr, und dann haben Sie’s geschafft.«
    Mit

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