House of Night 7. Verbrannt
Nyx’ Reich sich noch viel, viel weiter erstreckte. Aber um ehrlich zu sein, reichte der Hain eigentlich schon aus – er war grün und einladend, wie eine Zuflucht für die Seele. Bei allem, was er durchgestanden hatte, um hierherzukommen, selbst im Wissen darum, welche Verantwortung er als Zoeys Wächter trug, und wie weit seine Queste von ihrer Vollendung entfernt war, wollte Stark plötzlich einfach nur den Hain betreten, tief einatmen und sich von diesem Frieden erfüllen lassen. Wäre nun noch Zoey bei ihm, er wäre mehr als zufrieden damit, hier wenigstens einen Teil der Ewigkeit zu verbringen.
Tja, Zoey brauchte also nur Heath, und sie würde bleiben wollen. Stark rieb sich das Gesicht. Er gestand es sich nur ungern ein – genaugenommen brach es ihm das Herz –, aber Zoey liebte Heath, vielleicht sogar mehr, als sie ihn liebte.
Gewaltsam riss sich Stark von diesem Gedanken los. Zoeys Liebe für Heath war unwichtig! Sie musste zurückkommen – auch das war in Aphrodites Vision ja deutlich geworden. Und wenn Heath nicht im Spiel wäre, wäre er wahrscheinlich in der Lage, sie davon zu überzeugen. So war Zoey – sie sorgte sich mehr um ihre Freunde als um sich selbst.
Und genau deshalb musste Heath sie verlassen, nicht anders herum.
Das hieß, Stark musste Heath finden und ihn überreden, das einzige Mädchen aufzugeben, das er je geliebt hatte. Auf immer und ewig.
Shit.
Unmöglich.
Aber eigentlich hätte es auch unmöglich sein sollen, sich selbst zu besiegen und das, was damit einherging, zu akzeptieren.
Also denk nach, verflucht! Denk wie ein Wächter und reagier nicht nur auf die Situation wie ein dummer Junge.
Er konnte Zoey finden. Das hatte er schon einmal geschafft. Und wo Zoey war, würde auch Heath sein.
Starks Blick wanderte zu dem Wunschbaum. Der hier war größer als auf Skye, und die Stoffstreifen, die in den gewaltigen Schirm seiner Zweige gebunden waren, wechselten beständig Farbe und Länge, während sie in der sanften Brise schaukelten.
Wunschbäume hatten was mit Träumen und Wünschen und Liebe zu tun.
Na ja, er liebte Zoey.
Stark schloss die Augen und konzentrierte sich auf Zoey, darauf, wie sehr er sie liebte und vermisste.
Die Zeit verstrich – Minuten, vielleicht Stunden. Nichts. Verdammt nochmal, nicht der kleinste Hinweis, wo sie sein könnte. Er spürte sie überhaupt nicht.
Du darfst nicht aufgeben. Denk wie ein Wächter.
Die Liebe würde ihn also nicht zu Zoey führen. Was dann? Was war stärker als Liebe?
Überrascht blinzelte Stark. Er kannte die Antwort. Sie war ihm zusammen mit dem mystischen Claymore und dem Titel des Wächters übergeben worden.
»Für einen Wächter ist die Ehre stärker als die Liebe«, sagte er laut.
Kaum hatte er es ausgesprochen, da erschien genau über ihm in dem Wunschbaum ein dünnes goldenes Band. Sein metallischer Glanz erinnerte Stark an den Armreif aus gelbem Gold, den Seoras trug. Als das Band sich löste und frei im Wind zu treiben begann, tiefer in den Hain hinein, zögerte Stark nicht. Er folgte seinem Instinkt und diesem winzigen Zeichen der Ehre und eilte ihm nach.
Heath
Z oey ging es immer schlechter. Es war einfach nicht fair. Als hätte sie in letzter Zeit nicht schon genug durchgemacht! Und jetzt war ihr dieser Mist zugestoßen – diese Seelenzersplitterung oder wie man’s nennen sollte, und sie entfernte sich immer mehr von ihm … von allem. Zuerst nur Schritt für Schritt. Aber seit einiger Zeit war es erdrutschmäßig geworden, verheerend, in riesigen Stücken. Auf ihrem Weg tiefer und tiefer ins Herz des Wäldchens, weg vom Waldrand und dem, was sie dort belauerte – Kalona vermutlich –, veränderte sie sich immer schneller. Und er schien absolut nichts dagegen tun zu können. Sie hörte ihm nicht zu. Er konnte nicht vernünftig mit ihr reden. Sie kam nicht einen Moment zur Ruhe. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Sie lief ein Stück vor ihm her. Er marschierte – nein, eigentlich joggte er das moosige Ufer eines kleinen plätschernden Baches entlang, aber trotzdem ging es ihr nicht schnell genug. Sie wanderte voraus, manchmal flüsterte sie dabei der leeren Luft um sie herum etwas zu, manchmal weinte sie leise, aber immer blieb sie in Bewegung, rastlos, getrieben.
Er hatte das Gefühl, hilflos zusehen zu müssen, wie sie allmählich zerging.
Er musste etwas unternehmen. Ihm war klar, dass dieser Zustand daher rührte, dass ihre Seele nicht mehr heil war. Das leuchtete ein. Er hatte
Weitere Kostenlose Bücher