House of Night 7. Verbrannt
du bist trotzdem ich. Der Krieger könnte das nicht zugeben, aber der Schamane in mir fängt langsam an, es zu begreifen.« Während er sprach, drang er unaufhaltsam nach vorn und ließ einen Hagel von Schlägen auf sein zweites Ich niedergehen. »Wir sind arrogant. Wir sind selbstsüchtig. Manchmal sind wir gemein. Wir sind verdammt aufbrausend, und wenn wir beleidigt sind, können wir tierisch nachtragend sein.«
Starks Worte schienen etwas in dem Anderen auszulösen. Er begann mit fast unglaublicher Geschwindigkeit zurückzuschlagen. Sein Schwung und Geschick waren überwältigend.
Oh Göttin, nein. Das darf doch nicht wahr sein, dass mein großes Maul alles verdorben hat.
Während Stark jede Mühe hatte, sich gegen den Ansturm zu verteidigen, erkannte er, dass er zu rational reagierte, zu vorhersehbar. Der einzig mögliche Weg, sich zu besiegen, war etwas zu tun, was der Andere nicht erwarten würde.
Ich muss mir eine Blöße geben, damit er mich töten kann.
Während der Andere versuchte, ihn Schlag für Schlag zu zermürben, erkannte Stark, dass das der einzige Ausweg war. Er tat, als ließe er auf der linken Seite seine Deckung fallen. Mit unhaltbarem Schwung warf sich der Andere in die Lücke, stieß zu und wurde – nur einen flüchtigen Moment lang – noch verwundbarer als Stark. Dieser sah überdeutlich die Angriffslinie, die Geometrie der wahren Blöße, und mit einer Wildheit, die er nicht an sich kannte, hieb er dem Anderen den Schwertgriff über den Schädel.
Starks Spiegelbild fiel auf die Knie und rang nach Atem. Es war kaum noch in der Lage, das Breitschwert vor sich zu halten.
»Okay, jetzt tötest du mich, gehst in die Anderwelt und nimmst dir die Tussi.«
»Nein. Jetzt akzeptiere ich dich als Teil von mir, denn egal wie weise oder gut ich in meinem Leben noch werde, du wirst trotz allem immer irgendwo tief in mir sein.«
Noch einmal trafen sich der Blick der roten und der braunen Augen. Der Andere ließ sein Schwert fallen und warf sich unerwartet vorwärts, genau in Starks Klinge hinein, die sich bis zum Heft in ihn bohrte. In der nackten Intimität des Augenblicks stieß der Andere die Luft aus, so nahe an Starks Gesicht, dass dieser den letzten süßen Atem des Anderen einatmete.
Stark drehte sich der Magen um. Er hatte sich selbst umgebracht! Die schreckliche Erkenntnis ließ ihn wild den Kopf schütteln. »Nein! Ich –« Noch während er den Schrei der Verleugnung ausstieß, grinste der rotäugige Stark verschlagen und flüsterte mit blutverschmierten Lippen: »Wir sehen uns wieder, Krieger, früher, als du denkst.«
Stark hielt den Anderen fest, als er vor ihm in die Knie sank, und zog ihm dabei die Klinge aus der Brust.
Die Zeit schien sich unendlich zu dehnen, während das göttliche Licht aus Nyx’ Reich sich auf dem Schwert zu sammeln schien, die blutverschmierte und doch herrliche Klinge zum Erglänzen brachte und Stark blendete, genau in der gleichen Weise, wie Seoras’ letzter Schnitt ihn geblendet hatte, und einen Moment lang schien auf wundersame Weise der uralte Wächter neben ihm und dem Anderen zu stehen, und alle drei Krieger senkten den Blick auf das Schwert.
Dann begann Seoras zu sprechen. »Aye, so nimm nun das Wächter-Claymore, Bursche – ein Schwert, geschmiedet in heißem rotem Blut, um einzig die Ehre zu verteidigen, in der Hand eines Mannes, des’ Wahl es ist, über seine Eine, seine
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, seine Königin zu wachen. So scharf ist die Klinge, zu schneiden ohne Schmerz, und der Wächter, der sie führt, wird weder Gnade, Furcht noch Erbarmen gegen solche kennen, die unser hehres Geschlecht entweihen.«
Fasziniert betrachtete Stark das Claymore von allen Seiten und ließ das juwelenbesetzte Heft im Licht funkeln, während Sgiachs Wächter weitersprach. »Die fünf Kristalle – vier in den Ecken, der fünfte der Herzstein – lassen das Herz der Waffe im Takt mit dem Herzen des Wächters schlagen,
so er denn
ein erwählter Krieger ist, dem die Ehre mehr gilt als das Leben.« Seoras hielt inne und sah endlich Stark an. »Bist du dieser Krieger, mein Junge? Wirst du ein wahrer Wächter sein?«
»Das will ich«, sagte Stark und versuchte, das Schwert dazu zu bringen, im Takt seines Herzens zu pulsieren.
»Dann musst du stets in Ehren handeln und, wen immer du besiegt hast, in eine bess’re Welt schicken. Wenn du dies als Wächter, nicht als Junge, tun kannst … wenn du in Seel’ und Geist vom rechten Blute bist, mein Sohn, so wirst du
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