House of Night 7. Verbrannt
aus Kräften schöpfen, die mit ihr verbündet waren.
Daher wandte sich Rephaim dem einzigen Mittel zu, das ihm blieb – den Resten der Menschlichkeit, die über seine tote Mutter in ihn übergegangen waren. Er antwortete dem Stier wie ein Mensch, mit einer so scharfen, klaren Ehrlichkeit, dass ihm war, als schnitte sie sein Herz entzwei.
»Ich bin hier, weil sie hier ist, denn sie gehört zu mir.« Ohne die Augen von dem Stier zu wenden, deutete er mit dem Kopf in Stevie Raes Richtung.
»Ich kann sie an dir riechen.«
Noch näher kam der Stier, und wieder erbebte der Boden unter ihnen.
»Diese Vampyrin mag dir gehören, aber sie war so unvorsichtig, mich zu rufen. Sie erbat meine Hilfe, und ich habe sie ihr gewährt. Wie du weißt, muss sie nun den Preis dafür zahlen. Weiche von hier, Vogelmann, dann werde ich dir das Leben schenken.«
»Tu’s, Rephaim.« Stevie Raes Stimme war schwach, aber als Rephaim sie endlich ansah, war ihr Blick fest und klar. »Geh. Das ist nich wie auf dem Dach. Hiervor kannst du mich nich retten.«
Er wusste, er sollte gehen. Zweifellos. Noch vor ein paar Tagen hätte er sich nicht vorstellen können, dass es eine Welt gab, in der er der Finsternis selbst gegenübertrat, um eine Vampyrin zu retten – oder überhaupt irgendjemanden zu retten außer sich selbst und seinen Vater. Doch als er in Stevie Raes sanfte blaue Augen sah, schien darin eine völlig neue Welt zu liegen – eine Welt, in der diese seltsame kleine Vampyrin Herz, Leben und Wahrheit war.
»Bitte. Ich will nich, dass er dir auch weh tut.«
Es waren diese Worte – diese selbstlosen, aus tiefstem Herzen kommenden, wahrhaftigen Worte, die ihn zur Entscheidung führten.
»Ich habe gesagt, sie gehört zu mir. Du weißt, dass das die Wahrheit ist; du riechst sie an mir. Also kann ich den Preis für sie zahlen.«
»Nein!«, schrie Stevie Rae.
»Bedenke es gut, ehe du ein solches Angebot machst, Sohn des Kalona. Ich werde sie nicht töten. Der Preis, den sie zahlen muss, ist eine Blutschuld, keine Lebensschuld. Ich werde dir deine Vampyrin zurückgeben – irgendwann, wenn ich genug von ihr gekostet habe.«
Die Worte des Stiers ließen Übelkeit in Rephaim aufsteigen. Die Finsternis würde sich von Stevie Rae nähren wie ein aufgedunsener Blutegel. Sie würde über ihre zerschnittene Haut lecken und das Salz und Kupfer ihres Lebensblutes genießen –
ihrer beider
Lebensblut, durch die Prägung für immer vereint.
»Nimm mein Blut statt des ihren. Ich werde ihre Schuld bezahlen.«
»Wahrlich, du bist deines Vaters Sohn. Wie er hast du dich entschlossen, ein Geschöpf zu verehren, das dir niemals geben kann, was du am dringendsten ersehnst. Nun, es sei. Ich nehme deine Zahlung an ihrer statt an. Lasst sie frei!«
, befahl der Stier.
Die rasiermesserscharfen Fäden aus Finsternis ließen von Stevie Rae ab, und als hätten nur sie sie noch auf den Beinen gehalten, brach sie auf dem blutgetränkten Gras zusammen.
Ehe er eine Bewegung machen konnte, um ihr zu helfen, löste sich wie eine Kobra ein schwarzes Tentakel aus dem Rauch um den Stier. Mit überweltlicher Schnelligkeit peitschte es nach vorn und wickelte sich um Rephaims Fußknöchel.
Der Rabenspötter verbiss sich den Aufschrei, der in ihm hochstieg. Stattdessen nahm er trotz des betäubenden Schmerzes alle Konzentration zusammen und rief Stevie Rae zu: »Geh zurück zum House of Night!«
Er sah, wie sie mühsam aufzustehen versuchte, aber sie rutschte auf ihrem eigenen Blut aus, fiel wieder hin und blieb liegen. Lautlos weinend suchte sie seinen Blick. Rephaim breitete die Flügel aus und strebte mit allen Kräften zu ihr hin, entschlossen, sich von der schwarzen Fessel zu befreien, um sie wenigstens aus dem Kreis zu tragen.
Doch ein weiterer Strang schlängelte sich heran, wand sich um den eindrucksvollen Bizeps an Rephaims frisch verheiltem Arm und fraß sich fast bis auf den Knochen hindurch. Und noch einer sauste aus den Schatten, und als er sich um seine beiden Flügelansätze schlang und ihn mit schneidenden Fesseln zu Boden riss, konnte er nicht anders als gepeinigt aufzuschreien.
»Rephaim!«, schluchzte Stevie Rae.
Den Stier hatte er aus den Augen verloren, aber er spürte, wie die Erde vibrierte, als das Wesen auf ihn zukam. Er drehte den Kopf und sah wie durch einen Nebel aus Schmerz, dass Stevie Rae versuchte näherzukriechen. Er wollte ihr zurufen, sie solle anhalten – wollte ihr etwas sagen, was sie verjagte. Doch während die
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