House of Night 7. Verbrannt
warf die blutigen Alkoholtupfer in eine Abfalltüte, streifte die Latexhandschuhe ab, stellte sich neben die Tür und tippte ungeduldig mit der Fußspitze auf, während sie Lenobia und Kramisha ungehalten musterte.
»Ich komme später wieder vorbei und schaue nach dir«, sagte Lenobia.
Stevie Rae lächelte. »Klingt gut.«
Lenobia drückte ihr die Hand und ging zur Tür. Als Kramisha sich über Stevie Rae beugte, hatte die einen seltsamen, unbehaglichen Moment lang das Gefühl, gleich würde die andere sie umarmen oder – noch schlimmer – küssen. Aber Kramisha sah ihr nur in die Augen und wisperte:
»Sieh mit der Seele – das Auge ist blind.
Wer mit Bestien tanzt,
muss durchschau’n, wer sie sind.«
Plötzlich fröstelte Stevie Rae. »Ich hätt besser auf dich hören sollen. Vielleicht wär mir dann klargeworden, dass ich die falsche Kuh rufe«, flüsterte sie zurück.
Kramisha betrachtete sie eindringlich und wissend. »Solltest du vielleicht immer noch. Sagt mir was in mir, dass du noch nicht fertig bist mit Tanz mit Bestien.« Dann richtete sie sich auf und sagte in normaler Lautstärke: »Schlaf jetzt. Brauchst du morgen bestimmt deinen ganzen Verstand.«
Als die Tür sich endlich geschlossen hatte und Stevie Rae allein zurückblieb, stieß sie einen erleichterten, erschöpften Seufzer aus. Pflichtbewusst trank sie den letzten Blutbeutel aus, zog sich die Krankenhausdecke bis unters Kinn hoch und rollte sich auf der Seite zusammen. Seufzend drehte sie eine blonde Lockensträhne um den Finger. Sie war zu Tode erschöpft. Rephaims Blut hatte sie zwar geheilt, doch schien es ihr auch die letzte Kraft entzogen zu haben.
Rephaim …
Nie in ihrem Leben würde Stevie Rae seinen Anblick vergessen, als er sich zwischen sie und die Finsternis gestellt hatte. Er hatte so tapfer und stark und
gut
ausgesehen. Egal, ob Dallas und Lenobia und die ganze verflixte Welt glaubten, er stünde auf der Seite der Finsternis. Egal, ob sein Daddy ein gefallener Krieger der Nyx war, der sich vor Jahrhunderten für das Böse entschieden hatte. All das war unwichtig. Sie hatte die Wahrheit gesehen. Er hatte sich in vollem Bewusstsein für sie geopfert. Er hatte sich vielleicht noch nicht für das Licht entschieden, aber von der Finsternis hatte er sich definitiv abgewandt.
Es war richtig von ihr gewesen, ihn an jenem Tag draußen hinterm Kloster zu retten. Und es war auch richtig gewesen, heute den schwarzen Stier zu rufen und ihn wieder zu retten – ungeachtet des Preises.
Rephaim war es wert, gerettet zu werden.
Oder?
Er musste. Nach dem, was heute passiert war,
musste er es wert sein
.
Ihr Finger hörte mit der rastlosen Bewegung auf, und ihr fielen die Augen zu. Eigentlich wollte sie nicht mehr denken oder träumen – wollte nicht, dass ihre Gedanken zu der entsetzlichen Finsternis und diesen unvorstellbaren Schmerzen zurückkehrten.
Aber ihre Augen fielen zu, und die Erinnerung an die Finsternis, und was sie ihr angetan hatte, kehrte zurück. Während Stevie Rae gegen den unerbittlichen Sog der völligen Erschöpfung ankämpfte, hörte sie mitten aus dem Strudel des Entsetzens wieder seine Stimme:
»Ich bin hier, weil sie hier ist, denn sie gehört zu mir.«
Und diese schlichte Aussage vertrieb ihre Angst, und die Erinnerung an die Finsternis wich davor zurück und ließ das rettende Licht durchscheinen.
Ehe Stevie Rae in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel, dachte sie noch einmal an den wunderschönen schwarzen Stier und den Preis, den er von ihr gefordert hatte, und wieder wehten ihr Rephaims Worte durch den Geist:
»Ich bin hier, weil sie hier ist, denn sie gehört zu mir.«
Mit ihrem letzten bewussten Gedanken fragte sie sich, ob Rephaim je erfahren würde, welch ironische Wahrheit seine Worte plötzlich für sie beide bekommen hatten …
Stark
I n der ersten Sekunde nach dem Erwachen war Stark frei von jeder Erinnerung. Er wusste einzig, dass Zoey da war, hier, neben ihm im Bett. Schläfrig lächelte er, drehte sich um und streckte den Arm aus, um sie an sich zu ziehen.
Als er ihre kalte, leblose Haut berührte, war er mit einem Schlag hellwach. Die Realität schlug über ihm zusammen und ließ seinen letzten Traum zu Asche verglühen.
»Na endlich. Also, bei Nacht seid ihr roten Vampyre vielleicht unschlagbar und toll und weiß der Himmel was noch, aber tagsüber kann man euch glatt vergessen, so tot seid ihr da. Ich sag nur: Klischee pur.«
Stark setzte sich auf und blickte finster auf
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