How to be really bad (German Edition)
vielleicht tut sie ja genau das!»
«Was tut sie?»
«Selbständig werden.»
«Ach?»
«Ja: Ach! Und dazu gehört, dass sie nicht ständig ihren Vater anruft.»
«Unsinn! Ein Telefonat mit ihrem Vater bremst ihre neue Selbständigkeit nicht aus!»
Ich seufzte. Er konnte einfach nicht loslassen. Er brauchte den ständigen Kontakt mit mir.
«Also, was willst du? Worum geht es?»
Jetzt schimpfte er: «Achte auf deinen Ton, junge Dame! Ich schätze deine genervte Attitüde ganz und gar nicht! Ich bin dein Vater, und ich habe das Recht, mir Sorgen um dich zu machen.»
«Paps, es gibt keinen Grund, du musst dir keine Sorgen machen.»
«Es gibt immer einen Grund, sich Sorgen um seine Tochter zu machen. Und in deinem Fall erst recht. Du hast ja keine Ahnung von den Gefahren, die dort auf dich lauern.»
Nun musste ich lachen. «Paps! Was soll mir schon passieren? Schon vergessen, wer mein Vater ist?»
«Lilith, nimm diesen Ausflug nicht auf die leichte Schulter. Betrachte es als Prüfung.»
Das wurde mir zu dramatisch. Ich musste das Gespräch beenden, bevor ich wieder Krach mit ihm bekam. «Okay, Paps. Ich verstehe. Wir machen es folgendermaßen: Wann immer dir danach zumute ist, mit mir in Kontakt zu treten, schick mir eine SMS. Ich ruf dich dann zurück, sobald es passt. Okay? Aber eine große Bitte habe ich: Hör auf mit diesen willkürlichen Mitteilungen mitten auf der Straße oder im Bus oder im Kiwi-Gebüsch. Es ist echt ungeschickt, wenn du mich auf diese Art und Weise kontaktierst. Wenn das jemand mitkriegt, hab ich viel zu erklären.»
«Wie ich dich kenne, wird dir das nicht schwerfallen.»
«Nein, im Ernst. Lass das.»
«Mal sehen.»
«Paps?»
«Ja.»
«Keine Sorge, es geht mir gut. Ich muss jetzt Schluss machen, der Bus kommt. Tschüs!»
Greta hüpfte bestens gelaunt aus dem Bus. Sie hatte allerdings vergessen, sich wieder in die selbstgestrickte Greta zu verwandeln. Als ich sie drauf aufmerksam machte, erschrak sie. «Und jetzt?»
Ich überlegte. «Hast du noch was zu trinken übrig?»
«Kirschsaft. Meine Mutter gibt mir meistens Kirschsaft mit.»
«Perfekt. Gib mir dein Strickkleid und den Kirschsaft.»
Greta sah mich verwundert an, kramte aber beides aus ihrem Rucksack und reichte es mir.
Bevor ich zur Tat schritt, versicherte ich mich: «Du hast nicht vor, dich hier auf der Straße umzuziehen, oder?»
«Nein! Natürlich nicht. Ich fahre wieder zurück zur Schule oder suche mir in der Nähe ein Café oder so.»
«Aber dazu hast du eigentlich keine Lust?»
«Nein. Wieso fragst du?»
«Weil ich dein Problem im Nu lösen kann.»
«Wie?»
Ich schüttete den Kirschsaft über Gretas Strickkleid. «So.»
«Lilith!»
«Keine Sorge, ich hab einen Plan. So, jetzt lass uns nach Hause gehen.»
Greta lief völlig erschüttert neben mir her und sah mich entsetzt an.
«Behalt das Gesicht bei. Das passt», meinte ich, als wir im Flur standen. «Und bleib etwas hinter mir.»
«Sybille!», rief ich beim Eintreten. «Wir haben einen Notfall.»
Sybille stand schwupp neben mir. Das Wort Notfall alarmiert jede Mutter.
Ich hielt ihr Gretas Kleid hin. «Schauen Sie sich das an. Wir müssen sofort etwas tun.»
«Seid ihr beide okay?», fragte sie und überprüfte uns eingehend.
«Das Kleid ist eventuell für immer ruiniert», rief ich verzweifelt.
Sie winkte ab. «Ach, ist doch nur ein Kleid. Hauptsache, euch ist nichts passiert.»
Teil eins des Plans war geglückt: sie in Panik versetzen. Danach erschien ihr ein verflecktes Kleid gerade zu banal. Jetzt mussten wir den Nachfragen standhalten, und dann würde ich Teil zwei einleiten.
Sie besah sich das Kleid. «Wie ist denn das passiert?»
«Heute Morgen, auf dem Weg zur Schule, hatte im Bus eine ältere Dame gefragt, ob wohl jemand etwas zu trinken dabeihätte. Sie musste ein Stärkungsmittel einnehmen, hatte aber ihre Wasserflasche vergessen. Und Greta, hilfsbereit, wie sie ist, hat sofort ihren Kirschsaft angeboten. Aber die Dame war bereits so schwach, dass sie die Flasche fallen ließ, und … nun ja … das Kleid. Aber keine Sorge, es war noch genug in der Flasche, und die Dame hatte dann ihre Medikamente einnehmen können.»
«Gut. Und wem gehören die Sachen, die du anhast?», fragte sie Greta.
«Mir», rief ich. «Gut, dass ich stets Ersatzkleidung dabeihabe. Genau für so einen Fall. Ich habe Greta die Jeans und das T-Shirt geschenkt. Sie kann alles behalten.»
«Nein, nein, das musst du nicht. Ich werde es waschen, und dann
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